Eintracht Frankfurt - Waldhof Mannheim

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 12. Spieltag

2:0 (1:0)

Termin: 30.03.1930
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Mayer (Stuttgart)
Torschützen: 1:0 Walter Dietrich (7.), 2:0 Hauth (75., Eigentor)

 

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Eintracht Frankfurt Waldhof Mannheim

 


  • Rihm
  • Hauth
  • Haber
  • Model
  • Schäfer
  • Bretzing
  • Rasmus
  • Brückl
  • Ofer
  • Walz
  • Halter

 

Trainer Trainer
  • Johann Hetzel

 

Eintracht ist Südd. Meister

Schwer erkämpfter Sieg gegen den S.V. Waldhof.

Der Mainmeister hat es also geschafft. Er hat auch die letzte Hürde, die sich ihm entgegenstellte, überwunden und hat sich drei Sonntage vor dem Schluß der diesjährigen Spiele um die Süddeutsche Meisterschaft den hohen Titel gesichert. Das ist ein Erfolg, den man zu Anfang der Spiele auch nicht im entferntesten erhofft hatte. Soweit man sich überhaupt Hoffnung auf den Titel machte (Leute, die darauf schworen, gab es genug), erwartete man die Entscheidung erst am allerletzten Spielsonntag. Nun; wenn Fürth und Bayern ebenfalls die gleichmäßige Leistung der Eintracht vollbracht hätten, dann wäre ja heute auch noch nichts entschieden. Aber die Tatsache steht fest: die Eintracht wäre mit im Rennen, sie hätte ihre Chancen auf den Titel genau so gehabt, wenn Fürth und Bayern nicht versagten. Das muß für die Leute festgestellt werden, die vielleicht die Meisterschaft der Eintracht besondere Glücksumständen zuschreiben. Von Glück kann bei einer solchen Siegesserie, wie sie die Eintracht aufzuweisen hat. keine Rede mehr sein.

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Das Spiel, das der Eintracht den Titel endgültig bringen sollte, wurde nur unter Aufbietung aller Kräfte gewonnen. Der S.V. Waldhof bot eine Leistung, die man nach seinen bisherigen Spielen, besonders aber nach seinen katastrophalen Leistungen im Vorspiel gegen Eintracht niemals erwarten konnte. Das Spiel stand bis eine Viertelstunde vor Schluß 1:0 für Eintracht. Es war bis dahin vollkommen ausgeglichen gewesen, Waldhof hatte sogar im Feld zumeist leicht überlegen gespielt. Nur ihrer besseren körperlichen Durchbildung verdankt es die Eintracht, daß sie den knappen Vorsprung halten und ihn schließlich auf 2:0 erhöhen konnte. Waldhof zeigte sich in spielerischer Hinsicht der Eintracht fast als gleichwertig. Das war die große Überraschung des Spiels.

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Man darf nicht vergessen, daß es die Waldhof-Mannschaft viel leichter hatte als die Eintracht. Für sie stand überhaupt nichts auf dem Spiel, sie konnte sich durch einen Erfolg gegen den wahrscheinlich süddeutschen Meister mächtig in Szene setzen, eine Niederlage nahm man ihr aber nicht übel. In dieser Tatsache lag die Schwierigkeit der Aufgabe der Eintracht. Waldhof verfolgte sichtlich eine festgelegte Taktik. Es versuchte, von Beginn an das Sturmspiel der Eintracht durch verstärkte Verteidigung zu zerstören und legte alles darauf an, in schnellen, weitzügigen Durchbrüchen das Eintrachttor zu gefährden. Die Mannschaftsaufstellung war nach dieser Taktik berechnet. Bretzing spielte zuerst linker Läufer, Schäfer Mittelläufer und Haber linker Verteidiger. Nach der Pause, als es darauf ankam, der bis dahin fast erfolglos gebliebenen Eintracht Erfolge entgegenzusetzen, übernahm Bretzing die Läufermitte, Schäfer ging auf seinen gewohnten Verteidigerposten zurück und Haber wurde als Außenläufer vorgezogen. Man erkennt daran klar, daß Waldhof zuerst beabsichtigte, durch Verhütung von Toren die Eintracht unsicher zu machen und später durch Nachdruck aus der Läuferreihe selbst Erfolge zu erzwingen.

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Die Aufgabe der Eintracht war also in doppelter Hinsicht schwierig. Sie mußte die verstärkte Verteidigung des Gegners durchbrechen und zugleich den Angriff des Gegners in Schach halten. Sie hatte den Sieg notwendig, während Waldhof ruhig defensiv spielen konnte, ohne sich etwas zu vergeben. Es ist daher nicht zu verwundern, daß das Eintrachtspiel längst nicht so zur Entfaltung kam, wie man es aus den früheren Spielen gewohnt war. Es lag das aber auch zum großen Teil am Können des Gegners. Man hatte das Gefühl, als seien die Eintrachtspieler durch das Können der Waldhöfer stark überrascht gewesen. Dazu kam noch, daß Ehmer und Trumpler unter Verletzungen litten und Leis als Halbrechter eine recht schwache Leistung bot, so daß die ganze rechte Sturmseite der Eintracht fast vollkommen ausfiel.

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Die Spieler Waldhofs beherrschten alle den Ball ausgezeichnet, spielten schnell und genau ab und zeigten klare und zweckmäßige Kombinationszüge, die in ihrer Gefährlichkeit stark an die alte Waldhofmannschaft erinnerten. Der beste Mann der Mannschaft war der Mittelläufer Bretzing, der eine Zeitlang gegenüber Goldammer das Spiel vollkommen beherrschte und ganz ausgezeichnete Vorlagen gab. Diese Vorlagen waren seine Stärken, im Gegensatz zu Schäfer, der vor der Pause als Mittelläufer nur zerstörte und wenig Zuspiel zeigte. Als Verteidiger war Schäfer viel besser. Sehr gut war auch Haber, sowohl als Verteidiger als auch als Außenläufer. Auch Hauth konnte in seiner Schlagsicherheit gefallen, wenn er auch das Pech hatte, durch ein Eigentor das Spiel zu entscheiden. Allerdings wäre das Tor auch wohl so gefallen. Model hatte als rechter Läufer die schwere Aufgabe, den linken Eintrachtflügel zu halten; er scheiterte daran wie die meisten anderen Außenläufer an dieser Aufgabe gescheitert sind. Der Waldhofsturm hatte seine besten Leute in Brückl und Walz. Brückl war der einzige Stürmer, der wenigstens hier und da einmal schoß (ein 20-Meter-Schuß von ihm ging an den Pfosten), Rasmus und Ofer, die beiden Halbstürmer, müssen das Schießen noch lernen. Rasmus war gefährlicher, weil er wenigstens Walz gut bediente. Walz selbst konnte durch geschickte Ballannahme oftmals durchkommen. Dagegen mußte sich der andere Außenstürmer, Halter, dem Eintrachtläufer Mantel beugen.

Eintracht hatte den im Training vorletzten Trumpp durch den Torwächter der Reserve, Schüler, ersetzen müssen. Dieser Spieler enttäuschte angenehm bei den wenigen Bällen, die er zu halten bekam. Er brachte es sogar fertig, daß Eintracht zum ersten Male in diesen Endspielen ein Spiel „zu null" gewann. An der Hintermannschaft war nichts auszusetzen. Man hatte sich im letzten Augenblick entschlossen, Schütz diesmal noch aus der Verteidigung herauszulassen. Sowohl Stubb als auch Pfeiffer erledigten das große Arbeitspensum, das ihnen durch die ungestümen Angriffe der Waldhöfer auferlegt wurde, in sicherer Weise. Sie hatten eine schwere Probe zu bestehen, als Goldammer während einer Viertelstunde nach der Pause bedenklich zu „schwimmen" begann. Goldammer hatte in der ersten Halbzeit sehr gut gespielt und fand sich auch gegen Schluß wieder zurecht, so daß man seine Schwächeperiode auf das Versagen der rechten Sturmseite zurückführen darf. Dieses Versagen war eklatant. Ehmer lieferte das schlechteste Spiel seit langem. Daran kann nicht nur seine Verletzung schuld sein. Er war steif in seinen Bewegungen und gab ungenau ab. Trumpler konnte durch seine Oberschenkelverletzung immer noch nicht richtig starten und war von seinen Durchschnittsleistungen ebenfalls weit entfernt. Ebenso versagte Leis, der ein ausgesprochener Defensivspieler ist und für ein drängendes Sturmspiel nicht in Frage kommt. Die Situation wurde wieder einmal (wie schon oft) durch das fabelhafte linke Dreieck der Eintracht gerettet. Kellerhoff-Dietrich waren einfach nicht zu halten, Kellerhoff dürfte heute der wohl weitaus beste deutsche Linksaußen sein. Dietrichs Spiel war vollendet. Er schaffte zudem auch unermüdlich und entschied das Spiel durch zwei Tore, die beide ihn zum Urheber haben. Dahinter stand Mantel, der immer härter und kampfkräftiger wird und seine Vorlagen noch genauer und noch abgezirkelter gibt. Ein vollendeter Außenläufer, ein vollendetes Angriffsdreieck.

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Auf der Tribüne saß Professor Glaser, wahrscheinlich um die Spieler der Eintracht, die für das Repräsentativspiel gegen Österreich in Frage kommen, etwas unter die Lupe zu nehmen. Dem Spiel wohnten 12000 Zuschauer bei. Eintracht ging in der 7. Minute durch Dietrich in Führung, dessen Kopfstoß von Rihm hinter der Linie gefangen wurde. Waldhof drückte in der letzten Viertelstunde der ersten Halbzeit stark auf den Ausgleich hin, erreichte ihn aber nicht. Nach der Pause hatte Waldhof große 25 Minuten, in denen Eintracht fast dauernd verteidigen mußte. Die Hintermannschaft hielt aber das Spiel. Schließlich brachen Kellerhoff-Dietrich die Überlegenheit der Waldhöfer und erzwangen einige Chancen, von denen eine einen weiteren Kopfball Dietrichs zur Folge hatte, der am Torwärter vorbei aufs Tor ging; Hauth wollte abstoppen und herausschlagen, doch drängte Dietrich nach, so daß der Verteidiger nur sein eigenes Tor traf. In der letzten Viertelstunde baute Waldhof stark ab, Eintracht beherrschte die Situation bis zum Schluß. Nach dem Abpfiff wurde der neue Südd. Meister begreiflicherweise stark gefeiert. Es mußte angenehm berühren, daß sofort nach dem Abpfiff die Spieler Waldhofs ihren Kameraden von der Eintracht gratulierten. Die Eintrachtspieler wurden auf den Schultern vom Platz getragen.

Schiedsrichter Mayer, Stuttgart, war sehr gut. Anfangs versuchte Brückl aus der Rolle zu fallen, Mayer hatte ihn aber schnell zur Raison gebracht. Die Waldhofmannschaft zeigte ausgesprochen faires, wenn auch hartes Spiel.      José Weil. (aus dem 'Fußball' vom 01.04.1930)

 

 


 

 

Frankfurter Echo

Eintracht Frankfurt — SV. Waldhof Mannheim 2:0.

Die Frankfurter waren ziemlich zahlreich zum Riederwaldplatz gekommen, um den Augenblick mitzuerleben, in dem erstmalig eine heimische Mannschaft den süddeutschen Meistertitel an sich brachte. Schon einmal, im Jahre 1913, war Eintracht, damals noch unter dem Namen FFV., dicht vor dem erstrebten Ziele, aber sie verschenkte in Stuttgart mit einem Selbsttor den heiß ersehnten Titel an die Kickers.

Diesmal waren die Umstände günstiger. Teils aus eigener Kraft, teils unter der Einwirkung überraschender Niederlagen ihrer Mitbewerber, waren die Frankfurter viel früher, als erwartet, zu einem reichlichen Punktvorsprung gekommen und sie hatten die Wahl, die beiden noch fehlenden Punkte auf heimischem Boden gegen Waldhof oder acht Tage später in Worms zu holen. Schlau genug waren sie auf alle Fälle, die Entscheidung nicht ad calendas graecas zu verschieben, sondern sich auf den Standpunkt zu stellen: „Wer hat, der hat."

So wurde SV. Waldhof das Opfer. Eintracht gewann mit 2:0 Toren nicht sehr hoch, immerhin aber reichlich sicher und vor allem völlig verdient. Trotzdem aber nicht in der überzeugenden Weise, wie man sie gerade von einem neugebackenen Meister gerne gesehen hätte. Psychologisch ist der Mangel an Nachdruck, der einem Mangel an Eindruck gleichkommt, leicht zu erklären. Die ersten Minuten dieses Treffens zeigten den Frankfurtern sofort, daß ihnen ihr Gegner nichts Ernsthaftes anhaben könne. Eintrachts erste Vorstöße bedrohten ausnahmslos das gegnerische Tor mit eindeutigem Nachdruck und führten auch 6 Minuten nach Beginn bereits zum ersten Tore durch einen Kopfball Dietrichs, der zwar vom Torwächter Rihm noch gefangen, aber offensichtlich erst hinter der Linie erwischt wurde. Das Bewußtsein der Ueberlegenheit verführte die Eintrachtmannschaft zu verhaltenem Spiele, das allerdings weiterhin bis zur Pause klar überlegen blieb. Inzwischen aber hatten sich die Waldhöfer zu größerer Energie und Wucht entschlossen und hiermit den Gegnern einen großen Teil ihres Schneides abgehandelt. Zudem hatte die in der Pause bewirkte Umstellung der Waldhofelf ihr größere Einheitlichkeit und die Möglichkeit besserer Unterstützung des Sturmes gegeben. So gingen die Gäste volle 30 Minuten lang zu Angriffen über, die sie in der ersten Halbzeit nicht einmal in symbolischer Andeutung hatten vermuten lassen. Mit der Zahl wuchs auch die Gefährlichkeit dieser Vorstöße. Inzwischen wunderte sich der Beobachter, daß Eintracht, für die doch in diesem Verbandstreffen mehr als ein bloßer Spielgewinn auf dem Spiele stand, die Politik des "laisser aller, laisser faire" fast bis zur Selbstverleugnung trieb. Manchmal hat in diesen bangen Minuten der bewußte Zwirnsfaden des Geschickes eine äußerste Belastungsprobe aushalten müssen, manches Eintrachtherz krampfhafte Zuckungen durchbeben müssen. Die elf Träger des Vertrauens von 12000 meisterschaftshungrigen Zuschauern müssen ihrer Sache doch verteufelt sicher gewesen sein, sonst hätten sie gewiß ihren in Schweiß gebadeten Anhang nicht so zittern lassen. Erst 15 Minuten vor Schluß erbarmte sich Dietrich des auf eine fast zu harte Geduldsprobe gestellten Eintrachtanhangs, riß sich und seinen gesamten Sturm mit hörbarem Ruck zusammen, führte den Ball teils mit dem Fuße teils mit dem Kopfe fast bis ins gegnerische Tor und zwang schließlich den Mannheimer Verteidiger Haut zu einem Selbsttor als einzig verbliebenem Ausweg aus unentrinnbarer Bedrängnis. Taktisches Meisterstück des Schweizers! Noch ein hörbarer Ruck! Diesmal fielen 12000 Steine mittlerer Güte von ebenso vielen Eintrachtherzen. Der Sieg, die Verbandsmeisterschaft, war gesichert. Die letzten Minuten interessierten nur noch bedingt. Die Menge wartete nur noch auf den Augenblick, wo sie ins Spielfeld strömen, dem neuen Meister zujubeln und die wackeren Spieler auf den Schultern vom Platze tragen konnte.

Lassen wir es bei der Feststellung bewenden: der Sieg wurde sicher errungen, aber keineswegs in überzeugendem Stile. Bei Eintracht fehlten allerdings Trumpp, Schütz und Schaller, aber die stellvertretenden Spieler waren nicht die Träger der Schwächen dieses Spieles. Das eilt zum mindesten von dem Torwächter Schüler, einem Jugendspieler eigener Ausbildung, der sich als recht zuverlässig erwies. Allerdings wurden ihm allzu schwere Aufgaben diesmal noch nicht gestellt. Von den Feldspielern der Eintracht war niemand schwach, aber nur Kellerhoff, Dietrich, Goldammer und Mantel wuchsen mit der Größe des Augenblickes.

SV. Waldhof, der für den Halblinken Pennig Raßmuß spielen ließ, zeigte sich von recht vorteilhafter Seite, namentlich nach der zur Halbzeit vorgenommenen Umstellung. Die Mannschaft hat kolossale Wucht und große Schnelligkeit. Hätte sie bereits vor der Pause so hübsch flach kombiniert, wie sie es später tat, dann hätte sich Eintracht vor diesem, in Frankfurt weit unterschätzten Gegner noch mehr strecken müssen. Mannheims Torwächter war nicht ganz sicher im Fangen, noch weniger geschickt im Stellen. Fast unüberwindlich waren seine beiden Vorderleute. Recht gefährlich auch die Läuferreihe, so lange sie Brezing in der Mitte hatte. Im Sturm schien der Linksaußen Walz der gefährlichste Mann. Den besten Zusammenhang zeigte allerdings der rechte Flügel. Brückl verlegte sich zu viel auf eigenes Spiel, das erfolglos blieb, da Goldammer ihn scharf bewachte. Die Sturmführung Brückls litt unter seinem Bestreben, selbst Tore zu machen.

Schiedsrichter Maier, der alte Stuttgarter SC.-Mann, leitete das im allgemeinen recht faire Spiel sehr aufmerksam und streng korrekt. Maier redivivus hatte von seinem alten Können nichts verlernt.      Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 01.04.1930)


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