FSV Frankfurt - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft, Gruppe Nord-Süd 1932/33 - 6. Spiel

1:3 (1:1)

Termin: 12.02.1933 im Stadion
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Gröschel (Nürnberg)
Tore: 0:1 Willi Lindner (20.), 1:1 Hensel, 1:2 Willi Lindner (75.), 1:3 Willi Lindner (78.)

 

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FSV Frankfurt Eintracht Frankfurt

  • Wolff
  • J. May
  • Nadler
  • Knöpfle
  • W. May
  • Wühler
  • Heldmann
  • Hensel
  • Haderer
  • Tiator
  • Schlagbauer

 


 

Trainer Trainer

 

Die Eintracht dreht den Spieß rum

Fußballsportverein — Eintracht Frankfurt 1:3 (1:1)

Diese soeben zweite Februarwoche stand im Zeichen mannigfacher sportlicher Begeisterung. Da war vor allem die äußerst sympathische, weil einem echten Erleben gewidmete Anteilnahme an der am Samstag beendeten deutschen Billardmeisterschaft für Amateure, und da war auf der andern Seite die manchmal absolut unerträgliche, weil krankhaft-fanatische Schwärmerei für Fußballtreffen des Fußballsportvereins und der Eintracht. Und dabei gibt es massenhaft Leute, die Billard nicht als „Sport" gelten lassen wollen, und selbst die Frankfurter Ortsgruppe des Deutschen Reichsausschusses soll befremdenderweise hinter dieser Lesart stehen. Ob Sport oder nicht, mir ist zum mindesten der Geist, in dem in der Bundesmeisterschaft im Zwei-Ball-Cadre gespielt wird, tausendmal lieber, als die Methoden, die mancherorts zur Erringung von zwei Fußballpunkten beliebt werden. Darüber hinaus meine ich, daß, abgesehen von der Heranbildung und dem Erhalten der körperlichen Geschmeidigkeit, gerade das kultivierte Billardspiel ein solches Höchstmaß von Konzentration aller Art, der Intelligenz, der Nervenkraft, der Aufmerksamkeit, des Feingefühls, des Gesichts, usw., usw., bedingt, daß mancher Kämpfer auf dem grünen Rasen gut täte, sich von seinem Sportgenossen vom grünen Tisch ein, wenn auch nur kleines Scheibchen auszubitten.

Es stimmt schon, wenn der Frankfurter Großtag „Bornheimer Hang" gegen „Riederwald" vor der Türe steht, dann wird die Vereinsliebe — an sich ein sehr schätzenswertes Gut — vieler Fanatiker zur üblen Blindheit, Urteilslosigkeit und Unvernunft. Oder wie anders soll man es beurteilen, wenn es an diesen Tagen in Frankfurt Leute gab, die allen Ernstes (soweit man solche Leute allerdings überhaupt „ernst" nehmen kann) erklärten, sich erschießen zu wollen, falls der Fußballsportverein sein Match gegen die Eintracht verliere, da gab es sogar Leute, die von den wenigen Pfennigen ihres Arbeitslosengeldes noch eine Wette für diese oder jene Partei riskierten, da gab es Leute, die ihren übernächteten Körper, die bunte Papiermütze noch auf dem arg derangierten Scheitel, ins Stadion schleppten, um den Karnevalskater des Vorabends gegen neuentfachten Fußballfanatismus einzutauschen. Wer will es bestreiten: es „tut sich allerhand" hinter den Kulissen eines sogenannten Ortstreffens, und bei weitem nicht alles berührt sympathisch.

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Schade, daß die Frage um die Vorherrschaft im Frankfurter Fußballsport wieder einmal unter nicht ganz einwandfreien Bedingungen ausgetragen wurde. Diesmal waren es die schwierigen Platzverhältnisse, unter denen die zweiundzwanzig Spieler und somit auch das Spiel selbst stark zu leiden hatte. Der im Untergrund noch immer gefrorene Boden zeigte eine weiche Oberschicht, der Rasen war glatt, die Spieler hatten keinen Halt. Das war für manche Spielszene von entscheidender Bedeutung, stellte auch an die Aufmerksamkeit des Schiedsrichters eine solch unerhörte Anforderung, daß man sich nicht zu wundern braucht, daß Spielleiter Gröschel aus Nürnberg nach etwa 70 Minuten Spielzeit am Ende seiner Konzentrationskraft angelangt war, so daß er dem bis dahin vor ihm ausgezeichnet geleiteten Treffen nicht mehr richtig folgen konnte. Leider nutzten einige Spieler diese Situation nach Gutdünken aus, so daß das vorher bei aller Schärfe anständig durchgeführte Spiel einige Entgleisungen aufzuweisen hatte, die man viel lieber nicht gesehen hätte und bei denen der Spieler W. May wieder einmal großes Glück hatte, am Platzverweis vorbeizukommen. Zu allem Unglück gab es nach Spielende noch eine solente Keilerei zwischen Knöpfle und Möbs, die sich die anwesenden Behördenmitglieder hoffentlich so genau angesehen haben, daß der Urteilsspruch nicht etwa wieder einmal auf frisierte Parteiaussagen aufgebaut werden muß.

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Auch der Fußballsportverein ist nun nicht mehr die einzige Mannschaft ohne Punktverlust, die er bis dato im Kampfe um die Verbandsmeisterschaft war. Es ist bitter, wenn man sich diesen kleinen Schönheitsfehler ausgerechnet von seinem erbittertsten Ortsrivalen aplizieren lassen muß. Aber schließlich haben die Bornheimer den vorläufig noch ausreichenden Trost, immer noch mit drei Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze zu liegen. Das „Hannibal ante portas" ist für sie also noch keine so akute Gefahr, daß ihnen der Schrecken streng nach historischem Vorbild in die Glieder zu fahren bräuchte.

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Eine Schwalbe allein bringt bekanntlich noch lange keinen Sommer. Wohl aber kann manchmal ein einziger von zweiundzwanzig Spielern den Gang der Dinge auf dem Rasen so entscheidend beeinflussen, daß man zu sagen geneigt ist, er allein habe Sieg oder Niederlage entschieden. Als ein solcher "deus ex machina" hat diesmal zweifellos Walter Dietrich zu gelten, der auf seinem linken Läuferposten nach fein ausgeklügeltem Plan arbeitete und damit einen geradezu sensationellen Erfolg zu verzeichnen hatte. Von den 18.000 Augenzeugen dieses Spieles werden wohl alle gemerkt haben, wie auffallend produktiv der neue Linksaußen der Eintracht, Lindner, in die Ereignisse eingriff, wie auffallend schwach dagegen die beiden Abwehrspieler auf der rechten Seite der Fußballsportvereinself, J. May und W. May, waren. Aber ich vermute, daß bei weitem nicht alle Zuschauer wahrgenommen haben, wie hochprozentig Walter Dietrich an der Aufrollung der feindlichen Front gerade an dieser Stelle beteiligt war. Dieser alte Schlaufuchs laborierte geradezu amüsant. Manchmal muß es wirklich zum Verzweifeln sein, gegen den Schweizer Internationalen zu spielen. Das war die Ursache. Der Erfolg war Lindners Hochform, und der Nutzeffekt bestand in dem ,,hat-trick" des Linksaußen, der mit Abstand der Eintracht nützlichster Stürmer war, ohne daß die übrigen, namentlich der Rechtsaußen Trumpler, schlecht oder auch nur schwach waren. Wichtig war allerdings auch, daß Mantel, Frankfurts weitaus bester Techniker, als Mittelläufer eine musterhafte Ballverteilung sehen ließ, von der namentlich seine beiden Nebenleute viel profitierten. Hinter einem solchen Sturm zu spielen, war natürlich auch für die beiden andern Läufer, Leis und Gramlich, eine Annehmlichkeit, wie es andererseits für das Angriffsquintett ein Vergnügen sein muß, vor einer solchen Läuferreihe arbeiten zu dürfen. Etwas weniger imposant waren die beiden Verteidiger, die mit Bodenschwierigkeiten zu kämpfen hatten und oftmals unreinen Abschlag zeigten. Torwart Schmitt war einer der besten Leute auf dem Platze, sollte aber trotzdem nicht fast alle seine Abschläge vor die Füße des Gegners praktizieren.

Fußballsportvereins größte, aber nicht einzige Schwäche, ist bereits gekennzeichnet. Auch der Innensturm, obwohl zeitweilig gute Einzel- und Gemeinschaftsaktionen zeigend, kam nicht richtig in Schwung, wenn er auch einige Male bedrohlich war und zweimal von offensichtlichem Pech verfolgt wurde. Vor allem aber sollten sich die blau-schwarzen Innenstürmer sagen lassen, daß ein herrenlos vor dem Torraum des Gegners liegender Ball noch lange keine Torchance bedeutet. Es muß auch irgendein dem sie gerade noch einen knappen aber verdienten Sieg von Angriffsspieler hinzukommen, der das ominöse Streitobjekt an dem allein noch zu überlistenden Torwart vorbei ins feindliche Netz bugsiert. Bornheims Außenstürmer, namentlich der ausgezeichnete und Lindner fast ebenbürtige Haderer, waren einwandfrei gut. Auch Mittelläufer Wühler lieferte eine überraschend befriedigende Partie. Ebenso tat Knöpfle im großen und ganzen seine Schuldigkeit, wenn er auch anfangs wieder einmal viel zu viel nach der Spielfeldmitte strebte und seinen Gegenspieler Trumpler vernachlässigte. Nadler, als Einzelspieler betrachtet, trifft ebenfalls kein Vorwurf am Spielverlust. Als, wenn auch erheblich bessere, Hälfte eines Verteidigerpaares der Kritik unterzogen, konnte er natürlich nicht alle verhängnisvollen Schnitzer seines Nebenmannes ausgleichen. Torwart Wolf stand hinter Schmitt nicht zurück Wie dieser hielt er einige Bälle sehr gut.

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Eintrachts Führungstor fiel in der 20. Minute durch den einer Steilvorlage Mantels nachsetzenden Lindner. Hensel fabrizierte den Ausgleich kurz vor der Pause nach einem Gedränge. In der 30. bzw. 33. Minute der zweiten Halbzeit fügte Lindner, beidesmal nach einem Strafstoß, seine beiden übrigen Tore hinzu, die ihn vermutlich zu dem glücklichsten Fußballer dieses Tages in Frankfurt gemacht haben werden. Bemerkenswert ist, daß sämtliche vier Tore dieses Treffens von Außenstürmern erzielt wurden, weiter aber auch, daß sämtliche sieben Eckbälle, davon vier für Eintracht, miserabel ausgeführt wurden. Die Herren Eckballspezialisten sollten noch ein Semester bei Georg Wunderlich belegen. Vielleicht verrät auch der Wormate Fath gelegentlich einmal sein Geheimnis.

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Eintrachts Sieg war berechtigt, sowohl nach dem Gesamteindruck, als auch nach den Leistungen im Felde und den Torchancen.      Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 14.02.1933)

 

 

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