Eintracht Frankfurt - Hannover 96

Freundschaftsspiel 1938/39

4:2 (2:1)

Termin: 21.08.1938 im Stadion
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Groß (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 August Möbs (5.), 1:1 E. Meng (20.), 2:1 Albert Wirsching (43.), 3:1 Albert Wirsching (57.), 4:1 Albert Wirsching (72.), 4:2 Deike

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Hannover 96

 


  • Pritzer
  • Sievert
  • Petzold
  • Jacobs
  • E. Deike
  • Männer
  • Malecki
  • Pöhler
  • E. Meng
  • Lay
  • R. Meng

 

Wechsel Wechsel
Trainer
Trainer
  • Robert Fuchs

 

Fischer, Möbs, Arheilger, Fürbeth, Lindemann, Groß, Wirsching, Röll, Adam Schmitt, Gramlich, Linken

 

Südwest-Meister — Deutscher Meister 4:2 (!)

Das Frankfurter Sportfeld war wieder einmal der Zielpunkt eines Großaufmarsches. Hier startete die neue Fußballsaison. Hier stellte sich der Deutsche Fußballmeister vor. Hier hatte Gaumeister Eintracht Revanche zu nehmen für das 4:1 von Hannover. Hier wollten die Frankfurter auch die Form ihres Meister kennenlernen.

Das Spiel löste viele Wünsche aus. Nicht alle wurden erfüllt. Um es vorwegzunehmen: Der Deutsche Meister hat etwas enttäuscht. Man erwartete eigentlich etwas anderes von den Helden der zwei Endspielschlachten im Olympia-Stadion. Man verglich immer wieder mit dem großen Besiegten: Schalke! Schließlich kamen nach diesem Spiele unverbesserliche Vereinsfanatiker auf den Gedanken, daß die Eintracht ebensogut hätte Deutscher Meister werden können. Einige waren sogar so unvorsichtig, diese Torheit auszusprechen.

Zunächst muß berücksichtigt werden, daß Hannover nicht so spielte wie in Berlin. Es ist eine Kampfmannschaft. Der Kampf in Frankfurt aber blieb dem Rahmen eines Privatspiels angepaßt. Wäre es um die Meisterschaft gegangen, dann hätte sich das Bild wahrscheinlich wesentlich verschoben. Nur blitzartig sah man manchmal bei den Gasten ihre wirkliche beste Waffe drohen. Es waren aber nur kurze Augenblicke. Dann maßen sich die Gegner wieder in den Domänen des Südwestmeisters, der Technik und Flachkombination. Und hier war der Südwestmeister um eine halbe Klasse über.

Man muß eins bedenken: Technik und Taktik bleiben erhalten, sobald man sie einmal erworben hat. Energie wird verbraucht. Man muß mit ihr haushälterisch umgehen. Das haben die Hannoveraner offensichtlich diesmal getan. Deshalb sind sie auch glatt unterlegen. Glatter noch als es das Resultat besagt. Aber sie sind auch einem Gegner unterlegen, der, wenn es nicht hart auf hart geht, zur ersten deutschen Klasse zählt.

Man muß aber auch zugeben, daß die Eintracht heute eine halbe Klasse stärker ist als letzte Saison. Und dies einzig und allein, weil endlich ein vernünftiger Torwächter zwischen den Pfosten steht, der keine Treffer verschenkt und seiner Hintermannschaft Vertrauen einflößt. Dieser Torwart ist der junge Fischer, der früher bei Rot-Weiß spielte.

Fischer ist unbedingt ein Talent. Sein Vorbild war Willy Kreß. Der Stil Fischers löst unwillkürlich Erinnerungen an den besten Torwart aus, den Frankfurt hervorgebracht hat. Dieselbe elegante Art, den Ball zu fangen, das instinktsichere Herauslaufen, der Drop-Abschlag, die Faustabwehr, die Arbeit am Boden. Es wäre zu viel gesagt, wollte man annehmen, die Kopie erreichte bereits das Original. Wenn diese Kopie auch nur die Hälfte des Originals wert ist, dann bedeutet das schon für die Eintracht — im Vergleich zu früher — einen unschätzbaren Gewinn.

*

Zum Spiele traten an:

Hannover: Pritzer; Sievert, Petzold; Jacobs, E. Deike, Männer; Malecki, Pöhler, E. Meng, Lay, R. Meng.

Eintracht: Fischer; Stubb (Gramlich), Groß; Arheilger, Lindemann, Gramlich (Fürbeth); Linken, Möbs, Wirsching, A. Schmidt, Röll.

Es sei gleich erwähnt, daß das Spiel mit einem furchtbaren Pfeifkonzert begann, weil die Eintracht den Schildbürgerstreich verübte, im gleichen Dreß wie ihr Gegner anzutreten. Mit einer Viertelstunde Verspätung kamen dann weiße Trikots an, so daß die Zuschauer beruhigt waren und das Spiel beginnen konnte.

Die bisher unzufriedenen Zuschauer wurden gleich entschädigt. Die Frankfurter bombardierten nämlich das Tor des Meisters geradezu mit einem Schnellfeuer. Torwart Pritzer mit seinen für ihn ebenso typischen wie unvorschriftsmäßigen weißen Ärmeln am schwarzen Dreß wurde ganz wild im Käfig. Es zeigte sich aber, daß dieser Mann, der wirklich über keinen klassischen Stil verfügt, ein ungemein nützlicher Torwart ist. Zunächst war einfach nichts gegen ihn zu machen, bis Möbs in der 5. Minute nach einem Eckball aus nächster Nähe einsenden konnte. Dann ging es aber in der gleichen Tonart weiter, wobei Pritzer alle guten Schüsse meisterte, während Adam Schmidt eine Reihe von guten Gelegenheiten sträflich verkorkste.

Hannover hat seit Berlin den Ruf, jeden Vorsprung eines Gegners aufzuholen. Als kurz vor Schluß das 4:1 auf ein 4:2 aufgebessert wurde, da meinten einige Zuschauer, Hannover habe nur etwas zu spät mit dem Endspurt angefangen ... Zunächst klappte es auch, denn schon die zweite Chance Hannovers, eine Flanke R. Mengs zu E. Meng, führte unhaltbar zum Ausgleich. Die Eintracht hatte vorher mit acht großen Chancen ebensoviel bzw. ebensowenig erreicht! Da liegt also der Hase im Pfeffer, dachte man sich. Aber es war doch nicht so. Auch die Eintracht kann überraschend Tore schießen, wenn der junge Wirsching eingesetzt wird. Das erwies sich kurz vor Halbzeit und zweimal noch danach. Erst zum Schluß verbesserte der Meister durch einen unhaltbaren Schuß von Deike. Davor hatte die Eintracht aber auch eine Reihe von Momenten, wo sie den Meister in ihren Kombinationsmaschen zappeln ließ, daß man nur so staunte.

*

Kritisch betrachtet sah man die besten Leistungen des Meisters bei seinem Torwart Pritzer und der rechten Sturmseite Pöhler-Malecki. Dann ist der Mittelläufer Deike zu nennen. Die vielgerühmten Außenläufer Jacobs und Männer traten dagegen nicht so in Erscheinung, wie es ihr Ruf erfordert hätte. Sie waren Durchschnitt. Auch die beiden Verteidiger rissen keine Bäume aus und der Halblinke Lay ward kaum gesehen. Gebrüder Meng machten bei einigen geschickten Durchbrüchen gemeinsame Sache, wie es sich so unter Brüdern gehört. Einmal rentierte das auch.

Eintracht hat etwas umgestellt. Lindemann spielt jetzt Mittelläufer und ist bei seinen Stoppereigenschaften auf dem richtigen Platze. Stubb spielte übrigens nur eine Halbzeit, aber dafür mit der alten Klasse. Fischer rundet das gute Bild der Hintermannschaft vorteilhaft ab. Im Sturm steht jetzt Wirsching, der Torschütze, in der Mitte. Es ist sicherlich kein schlechter Gedanke, Adam Schmidt und Möbs von einander zu trennen. Warum aber Schmidt, den Linksfüßer, halbrechts stellen? Das bewährte sich nicht. Möbs dagegen spielt rechts so gut wie links. Schmidt hatte übrigens unglaubliches Schußpech. Röll war noch etwas zaghaft, dagegen Linken ganz vorzüglich.

Sehr gut leitete Groß, Ludwigshafen.

*

Meister Eintracht hat mit diesem Spiel die Saison gut gestartet, nachdem ein kleiner Trainingsgalopp gegen Frankenthal schon ein 9:2 einbrachte. Eine Reihe von Schwächen sind natürlich noch unverkennbar. Es ist aber genügend Ersatz da, um notfalls Auswechslungen vorzunehmen. Nur darf man nicht in den Fehler verfallen, ins Probieren zu kommen. Man will am Riederwald natürlich seinen Titel energisch verteidigen. (aus dem 'Fußball' vom 23.08.1938)

 

 


 

 

 

Hier meldet sich der Deutsche Meister

Hannover 96 verliert gegen Eintracht Frankfurt 2:4

Hand aufs Herz: war es eine Sensation? Ich möchte sagen, es sei keine gewesen. Ich möchte sagen, es habe eine frische und kluge, in glänzender Kondition befindliche Mannschaft von guten Könnern eine Mannschaft geschlagen, die müde ist. Müde von der Meisterschaft, die wahrlich das Letzte abforderte, müde von der Seereise, müde des Fußballs vielleicht überhaupt. —

Und darum keine Sensation.

*

Ich sah Hannover 96 zum erstenmal in meinem Leben. Ich glaube, so kann man das unbefangendste Urteil abgeben. Natürlich hätte ich, wenn man mir keinen Namen verraten hätte, nicht auf einen Deutschen Meister getipt. Aber das konnte man auch bei früheren Meistern nicht immer. Ich hätte, ganz unbefangen, gesagt: diese elf Spieler können etwas. Sie können alle elf Fußball spielen. Sie beherrschen erstaunlich sicher eine Reihe der wichtigsten Fußballkünste und einzelne unter ihnen (Deike, Männer, die Brüder Meng) scheinen Lungen zu haben, die keine Müdigkeit kennen. Mir fehlt an dieser Elf (hätte ich gesagt, wüßte ich nicht, daß es sich um Hannover 96 handelte), mir fehlt der Zusammenklang, die Harmonie, die große unüberwindliche Linie. Die nämlich hat der Elf in Frankfurt gefehlt. Weißt du, mein Leser, der Nürnberger Club oder die Schalker oder der Dresdner SC., die dürfen verlieren und es ist doch immer noch so etwas wie ein Fluß da, ein Ineinandergleiten der Aktionen, so etwas minuten- oder auch nur sekundenlang Aufblitzendes, daß man sich sagt: Herrschaft, das ist schön. Das zeigt alles Das versöhnt.

Und diese Sache fehlte Hannover, mit einem Satz.

Bei Hannover war es umgekehrt. Man sagte sich, grübelnd: das sind elf treffliche Fußballer. Warum spielen sie sich nicht mehr zusammen? Zusammen! Hannover 96 zeigte manchmal ein Vorwärtswuchten, das imponierte. Und wenn R. Meng seinem Bruder E. Meng den Ball hinlegte und der schoß drauf, daß es nur so rauchte, dann war das eine feine Sache. Aber nicht mehr.

Weil die Mannschaft müd ist. Müde vom vielen Fußball.

*

Aber wieviel Gutes läßt sich sagen — nicht nur über das Können der einzelnen Spieler. Vor allem muß man großes Lob spendieren für die wundervolle Ruhe, mit der die Mannschaft die Niederlage ertrug. Es gab Tore, da war Grund genug, um aus der Haut zu fahren. Das vierte etwa, bei dem der unglückliche Pritzer einfach rutschte und hilflos zusehen mußte, wie das Ding ins Tor ging. Nein, alles blieb beherrscht. Die Hannoveraner haben einen Eindruck hinterlassen, der tief ging. Nicht zuletzt wegen dieser absoluten Beherrschung. Wir haben Mannschaften erlebt, die .nicht so leicht hingenommen hätten, wenn sie nach einer Serie erstaunlicher Siege plötzlich bis zum 4:1 hingejagt worden wären.

*

Das Spiel fing an wie ein Witz. Auf dem Feld standen zweiundzwanzig Spieler in schwarzen Hosen und schwärzlichroten Trikots Die Zumutung war zu stark. Die Menge pfiff wie irrsinnig. Das Frankfurter Sportfeld hat nie einen ärgeren Spektakel erlebt. (Gottlob.) Aber die Leute hatten Recht. Wie anders sollten sie ihren Unmut ausdrücken und ihre Verweigerung eines Spiels, bei dem 22 in der gleichen Kleidung durcheinanderwimmeln würden? Der Schiedsrichter rief die Kapitäne. Die Mannschaften stellten sich auf. Der treue Balles von der Eintracht ließ sich ein blaues Lautsprecherrohr heranschleppen und versuchte zu sprechen. Man pfiff und heulte ihm die Rede tot. Und alles, weil die Eintrachtleitung vergessen hatte, daß schon beim Vorspiel in Hannover der Gastgeber andere Trikots tragen mußte und nun die Eintracht dasselbe tun mußte.

Eme Viertelstunde verfloß. Da kam ein junger Mann mit einem Arm voll weißer Sweater. Die Lage war gerettet. Das Spiel begann.

18.000 Menschen. 18.000, obwohl es vor dem Spiel regnete. 18.000 Getreue des Fußball. Ich glaube, Südwest steht vor einer großen Saison. Nach allem, was uns diese Wochen vor den Spielen gebracht. Man ist ja soooo gespannt!

Die 18.000 waren gar nicht enttäuscht. Sie hatten auch keinen Grund. Die Frankfurter Eintracht geiget ihrem Gegner so mächtig auf, vor allem nach der Pause, daß es eine Wonne für jeden Frankfurter sein mußte. Vorschußlorbeeren sind billig. Sie wären es auch diesmal. Punktespiele sind andere Dinge als ein Freundschaftskampf und wäre es einer gegen den Meister. Aber dieser ganze Eintrachtstil war anständig und gut. Und die Kondition war vor allem imponierend. Die Eintracht ist eine Elf, bei der man nie sagen kann, ob sie einen bestimmten Kampf gewinnt. Aber ihre augenblickliche Form und die Aufstellung ist so gut, daß sie auf die Dauer aller Spiele gerechnet, recht reelle Aussichten hat, ihren Titel zu verteidigen. Es lag wirklich nicht so sehr an einzelnen Leuten, als am Gesamteindruck. Die Neueinstellung des Torwarts Fischer wirkte ungemein beruhigend auf die ganze Hintermannschaft. Dieser Mann spielt solid. Er läßt sich auf keine Abenteuer ein. Er packt zu, er geht heraus, wenn es Zeit ist und bleibt zu Hause, wenn das ratsamer ist. Und obwohl im Sturm Adam Schmitt wieder gelegentlich sehr versagte, aus zu großer Entfernung schoß oder den Ball vorm Tor verlor, obwohl Linken (vor Tagen erst operiert) noch nicht ganz auf der Höhe war: es war doch wieder ein großer Zug in der Elf. Wirsching, Röll, Lindemann, Groß, Fischer haben uns besonders gefallen. Stubb war blendend, voller Schnacken und Schnurren (aber sehr gewissenhaft diesmal), bis er verletzt wurde; nach der Pause nahm Gramlich seinen Posten ein und für ihn sprang Fürbeth ein. Das Eintrachtspiel wurde dadurch nur noch besser.

*

Tor-Kalender: 5. Minute: Möbs verwandelt die zweite Ecke der Eintracht 1:0. 20. Minute: E. Meng schießt auf seines Bruders E. Meng Vorlage das schönste Tor des Tages unter die Latte, 1:1. 43. Minute: Wirsching schüttelt Deike ab und schießt, 2:1. 57. Minute: Wirsching hebt über den Torwart Pritzer das 3:1. 72. Minute: Wirsching schießt am rutschenden Pritzer vorbei 4:1.

Eintracht: Fischer; Groß, Stubb; Gramlich, Lindemann, Röll, A. Schmidt, Wirsching, Möbs, Linken.
Hannover: Pritzer; Sievert, Petzold, Jacobs, E. Deike, Männer; Malecki, Pöhler, E. Meng, Lay, R. Meng. Schiedsrichter Groß-Ludwigshafen.

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Die Männer aus Hannover fahren in den Schwarzwald. Sie werden sich unter den Tannen und Kiefern ausruhen. Dann spielen sie in Freiburg um den Pokal. Die Niederlage wird sie etwas bekümmern, aber vielleicht tröstet sich der Deutsche Meister damit, daß auch andere Deutschmeister in Frankfurt Federn lassen mußten. Und er tröstet sich vielleicht auch mit dem tadellosen Eindruck, den er hinterlassen hat und mit dem Umstand, daß er einer sehr tüchtigen Elf unterlegen ist. Aber ganz wird er sich nicht trösten lassen. Da hat er auch ganz recht. Er wäre sonst kein Deutscher Meister geworden, wenn er so leicht zu trösten wäre. Sein Ehrgeiz wird wahrscheinlich in Freiburg Triumphe feiern.      r.o.k. (aus dem 'Kicker' vom 23.08.1938)

 

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