Viktoria Aschaffenburg - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1959/60 - 29. Spiel

4:4 (1:1)

Termin: 24.04.1960
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Kreitlein (Stuttgart)
Tore: 1:0 Hitzel (29.), 1:1 Erwin Stein (35.), 1:2 Erich Meier (48.), 2:2 Wille (49.), 2:3 Erwin Stein (53.), 3:3 Buchwalter (54.), 4:3 Ernst Kreuz (73.), 4:4 Richard Kreß (82.)

>> Spielbericht <<

Viktoria Aschaffenburg Eintracht Frankfurt

  • Groh
  • Dittel
  • Schmitt
  • Hitzel
  • Horst
  • Schnabel
  • Depp
  • Nothnik
  • Wille
  • Ernst Kreuz
  • Buchwalter

 


 

Trainer
  • Ernst Lehner
Trainer

 

Höfliche Gastgeber

Ludwig Dotzert berichtet vom Schönbusch

Viktoria Aschaffenburg — Eintracht Frankfurt 4:4 (1:1)

Selbst wenn die Aschaffenburger trotzdem noch absteigen sollten, sie sind und bleiben Gentlemen vom Scheitel bis zur Sohle. So konziliant („Wir begrüßen unsere Gäste auf das herzlichste") wurden die Riederwälder noch auf keinem Sportplatz des Südens empfangen, und noch nie wurden sie von einem Lautsprecher nach dem Schlußtreffer mit wärmeren Worten („Wir danken unserem Gegner und wünschen ihm viel Erfolg im Europa-Cup") verabschiedet als am Schönbusch. Aber die Aschaffenburger Gentlemen begnügten sich keineswegs nur mit schönen Reden, sie spielten auch gentlemanlike. In keinem Stadium der abwechslungsreichen 90 Minuten war auch nur eine Spur von Regelabsichten zu erkennen.

Schiedsrichter Kreitlein brauchte im wesentlichen nur bei Ausbällen und Torschüssen zu pfeifen. Und Stopper Horst, dessen Name mancher Frankfurter zeitweilig nicht ohne Gruseln nennen konnte, betrug sich wohlerzogen wie ein Eton-Boy. Ganz im Ernst: Eine Mannschaft, die wie Aschaffenburgs Viktoria in höchster Gefahr mit einer derart sauberen und beherzten Einstellung dem gegenwärtig aktuellsten Team Mitteleuropas entgegentritt und ihr Glück im freien Spiel der Kräfte probiert, eine solche Mannschaft wäre ein echter Verlust für die Oberliga.

Wenn der freundliche Herr am Mikrophon der Eintracht zum Abschied einen herzlichen Dank aussprach, dann gibt es nur eine Antwort darauf: „Bitte sehr, keine Ursache!" Gewiß, die Eintracht vom nächtlichen Frankfurter Stadion und die Eintracht vom regenfeuchten Schönbusch-Platz bei Aschaffenburg — das waren zweierlei Stiefel. Wie konnte es anders sein? Keine Mannschaft der Welt spielt zwei Spiele in „Glasgow-Form" unmittelbar hintereinander. Aber auch bei der Eintracht vom Schönbusch gab es nichts geschenkt. Die vier Tore, die hinter Loy einschlugen, haben Stück für Stück ihre Richtigkeit.

Die vier Tore, die der Riederwald schlucken mußte, sprechen dagegen Bände. Allesamt fielen sie auf Entfernungen über 15 Meter, und immer lag die Abschußstelle im Zuständigkeitsbereich der Außenläufer. Das war kein Zufall. Die Außenläufer der Eintracht konnten sich am schlechtesten mit dem Gedanken abfinden, daß hinter dem Berg auch Leute wohnen. Stinka lief anderthalb Stunden lang neben den Ereignissen her und schwang sich kaum jemals zu einer Offensivhandlung auf. Weilbächer pendelte zwischen Abwehr und Aufbau hin und her, ohne je richtig anzukommen. Eigenbrodt wirkte unterkühlt und geriet bei jedem Angriff seines Gegners Wille in Schwierigkeiten. Zu allem fiel bei Loy der Groschen langsamer als sonst. Es stimmt zwar, daß die Fernschüsse, mit denen die Aschaffenburger Torschützen aufwarteten, zu den absoluten Prachtstücken gehörten, aber zwei — mindestens zwei! — dieser Prachtstücke hätten Loy am vergangenen Mittwochabend im Stadion kaum etwas anhaben können.

Am lebhaftesten erinnerte noch der Sturm der Eintracht an seine Europa-Cup-Leistung. Pfaff gab bis zur Pause den Ton an, Kreß fand bei Otto Schmidt keinen Widerstand, und auch Meiers Brachialgewalt hinterließ breite Spuren im Abwehrgefüge der Viktoria. Aber Lindner spielte den Mann, der es diesmal nicht nötig hat, und Stein stieß bei Horst auf einen der talentiertesten Abwehrspieler des Südens.

So schlichen sich immer wieder Leitungsstörungen in den Stromkreis der Riederwälder Angriffe ein. Bis auf den Treffer zum 4:4 wurden die Tore der Riederwälder im Endeffekt nicht herausgespielt, sondern herausgefummelt, bis auf das letzte von Kreß, den Lindner in die Gasse geschickt hatte, fielen sie allesamt auf kürzeste Entfernung.

Kurz, auch die vier Sachen, die Aschaffenburg kassierte, sprachen Bände. Auch von ihnen wäre höchstens die Hälfte passiert, wenn der Tormann... Groh ist zur Zeit meilenweit von der Form entfernt, die ihn für Bundestrainer Herberger interessant macht. Während Loy jedoch mit den Fernschüssen nicht fertig wurde, versagte sein Aschaffenburger Kollege im Nahkampf. Alles was im Torraum geschah, schien Groh bis in Innerste zu verwirren. Diese Schwächeanfälle des Torhüters waren nicht das einzige, was an Aschaffenburg ziemlich genau auf die Eintracht herauskam. Auch die Viktoria hatte in der Läuferreihe ihre liebe Not. Schnabel mißlang das Einfachste, und Hitzel, ansonsten sehr tüchtig und betriebsam, ließ Alfred Pfaff mit der gleichen Großzügigkeit links liegen wie Glasgow Verlegenheitsaußenläufer Baird. Ganz der Alfred war Viktorias linker Verbinder Kreuz, und ganz wie der Alfred ging auch er nur eine Halbzeit lang voll aus sich heraus.

Pfaffs Halbzeit war die erste und die Halbzeit des Kreuz die zweite. Daß bis zum Wechsel die Eintracht und später die Aschaffenburger dominierten, darf man getrost als Folgeerscheinung dieses Wechselspiels betrachten. Zum Unterschied von Pfaff hatte Kreuz jedoch das Glück, daß seine Nebenleute — vor allem der beherzt schießende Wille — ohne Rücksicht auf Strapazen mitzogen.

Trotzdem entging den Riederwäldern der Sieg nur durch ein Mißgeschick. Während die Kugel vom Fuß des Erwin Stein dem fünften Tor entgegenrollte, pfiff der Schiedsrichter die Partie ab So streng hielt man sich in Aschaffenburg an die Regeln. (aus 'Der neue Sport' vom 25.04.1960)

 

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