Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Deutsche Meisterschaft 1960/61 - 3. Spieltag Endrunde, Gruppe 1

2:1 (0:1)

Termin: 03.06.1961
Zuschauer: 71.000
Schiedsrichter: Malka (Herten)
Tore: 0:1 Erich Meier (5.), 1:1 Klaus Stürmer (62.), 2:1 Uwe Seeler (72.)

>> Spielbericht <<

Hamburger SV Eintracht Frankfurt

  • Horst Schnoor
  • Gerd Krug
  • Jürgen Kurbjuhn
  • Jürgen Werner
  • Jochen Meinke
  • Peter Wulf
  • Klaus Neisner
  • Horst Dehn
  • Uwe Seeler
  • Klaus Stürmer
  • Gert Dörfel

 


 

Trainer
  • Günther Mahlmann
Trainer

Die Ernüchterung von Hamburg

Eintracht lebt von der Vollkommenheit der Deckung / Mehr Mut in Frankfurt - noch ist alles offen

Der große Sonderbericht des „Neuen Sport" mit Beiträgen von Erich Wick, Ludwig Dotzert, und Bert Merz

Hamburger SV—Eintracht Frankfurt 2:1 (0:1)

Die 1:2-Niederlage, die die Eintracht beim Hamburger Sportverein an einem strahlenden Sommertag bezog, bringt unter die Spieler, Funktionäre und Anhänger des Vereins eine Ernüchterung, die man nur als heilsam empfinden kann. Ich glaube nicht, daß allzu viele Freunde der Eintracht ernsthaft mit einer Favoritenstellung der Frankfurter rechneten, ehe das Spiel von Ludwigshafen die Sicht verdarb. Dieses 5:0 gegen Neunkirchen blendete alle, auch außerhalb Frankfurts, und die Fachwelt sah in der Eintracht von 1961 die Eintracht von 1959.

Das Spiel von Hamburg zeigte mit gnadenloser Schärfe, daß dem nicht so ist. Das einzige, was der Eintracht von 1961 geblieben ist, sind die Namen, die in den großartigen Europacup-Spielen bekannt wurden, und die Technik, die Ballbehandlung, die heute wie einst mit Samtpfoten gehandhabt wird. Diese Technik böte das Rüstzeug, um wieder in die deutsche Meisterschaft und Europacuprunde zu gelangen, aber sie ist gewissermaßen nur die Grundlage. Darüber müßte das Konzept einer Mannschaft, jawohl einer Mannschaft, stehen. Das fehlt im Augenblick.

Das Spiel gegen Saarbrücken wie auch das Spiel von Dortmund zeigten bereits, daß die Eintracht von der Vollkommenheit ihrer Deckung lebt, die freilich in der Bedrängnis zu mancherlei Improvisationen gezwungen wird. Der Aufbau schon aus der Läuferreihe ist gestört, offensichtlich durch eine Formkrise Stinkas. Aber noch eklatanter wird der Unterschied zu früher im Sturm. Man glaubte, in Kreuz den Nachfolger des großartigen Alfred Pfaff gefunden zu haben, als er mit seinem Zuspiel die Neunkirchener Deckungsreihen durchlöcherte. Ich selbst warnte damals: „Der grandiose Verlauf war von dem Ueberraschungseffekt Kreuz abhängig, der nun künftig mehr festgenagelt werden wird." Und jetzt?

Es wäre falsch, die Flinte ins Korn zu werfen, nachdem das Hamburger Spiel die Fehler aufdeckte. Gerade der HSV hat selbst bewiesen, daß eine Niederlage, ein 2:5 gegen Borussia Dortmund, heilsam sein kann. Warum soll also nicht am kommenden Samstag die Eintracht den HSV schlagen, wenn sie sich nur ihrer eigentlichen Tugenden besinnt? Dieser Tugenden, die der Eintracht das Renommee verschafften, moderner zu spielen als irgendeine Mannschaft der Bundesrepublik.

Die Eintracht muß das Gescherbel, dieses genaue Hin- und Herpassen über die Spielfeldbreite, wieder loswerden. Es ist eine Art degenerierten süddeutschen Spiels, mit dem man heute nicht mehr weiterkommt, mit dem man gerade den HSV nicht schlagen kann. Meinetwegen kann man so spielen, wenn man 3:0 führt. Sie muß wieder ihre Talente zum Steilspiel entdecken, und Kreuz, Stinka, Lindner müssen gerade darauf dressiert werden. Wie man eine Säule nicht ungespitzt in den Boden rammen kann, wird man auch eine gute Fußballdeckung nicht durchbrechen wenn man ihr nicht in Keilform begegnet.

Diese Spitzen hat die Eintracht. Ein Stein, der wieder geschickt wird, der würde sich recken wie ein aufgewachter Riese und wieder ein Brecher sein. Ein Kreß wird seinen Nutzeffekt verdoppeln, wenn er beim Schnellstart nicht direkt angespielt wird, sondern der Ball in die Richtung seines Torlaufs kullert. Auch für Meier, den die anderen in Hamburg so „links liegen" ließen, ergeben sich mit Steilvorlagen ganz andere und häufigere Chancen als die Abpraller, mit denen er seine letzten Tore machte.

Wie gesagt: ein frischer Wind in den Eintrachtsturm! Gewiß — bei solchen Steilvorlagen wird ein Gegner mehr Bälle abnehmen als bei direktem Anspiel und insofern manches mehr auf die Deckung zurückfallen. Das ist das Risiko, das eingegangen werden muß. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Die Eintracht hat in Hamburg zu wenig gewagt, das muß sie am kommenden Samstag nachholen — so oder so. Denn es ist — bei drei Verlustpunkten — noch lange nicht Feierabend für die Frankfurter „Künstler der Technik". Erich Wick

Pfaff: Mußten Spiel vor Pause entscheiden

HSV-Trainer Günther Mahlmann: „Ich kann meine Mannschaft nur bewundern. Ich frage mich, wo sie nach diesen schweren Europapokalspielen die Kraft zu solchen Leistungen hernimmt. In dieser Begegnung hat sich wieder gezeigt, was Uwe Seeler für uns wert ist."

HSV-Kapitän Jochen Meinke: „Hoffentlich hat sich unser Einsatz für den weiteren Verlauf der Endrunde gelohnt. Eintracht Frankfurt hat uns alles abgefordert!"

Jupp Posipal (HSV-Betreuer): „Es war der Sieg der geschlosseneren Mannschaftsleistung des HSV. Bereits zur Pause mußten wir zwei Tore geschossen haben, dann hätten wir zahlenmäßig klarer gewonnen."

Eintracht-Trainer Paul Oßwald: „Meinen Glückwunsch an Günther Mahlmann, dessen Mannschaft verdient gewonnen hat."

Alfred Pfaff: „Wir hätten das Spiel schon zur Pause für uns entscheiden müssen, aber die 1:0-Führung war gegen diesen HSV einfach zuwenig."

Ernst Berger, Spielausschußvorsitzender der Eintracht: „Wir haben in der ersten Halbzeit sehr gut gespielt und konnten 2:0 oder 3:1 führen. Unser Spiel im zweiten Teil dagegen war sehr ungeschickt. Unsere Mannschaft kam dem HSV insofern entgegen, daß sie zuviel quer und nicht genügend steil spielte."

Das Eintracht-Spiel lief auf Kreß

Der schwarzweiß geflaggte Zuschauerblock hatte keine ruhige Minute. Hin- und hergezerrt zwischen Kreß und Kreuz mußte er stets auf alles gefaßt bleiben, auf Sieg, Niederlage und Unentschieden. Kreß war die große Hoffnung, Kreuz das dämpfende Vorzeichen. Irgendwo dazwischen auf der Stufenleiter saßen die übrigen.

Aber auch bei Kreß war nicht nur heller Sonnenschein und bei Kreuz nicht nur finstere Nacht. Die unumschränkte Autorität, die der einzigartige Mann auf Rechtsaußen in seiner Umgebung genießt, fängt an, ihre Nachteile mit sich zu bringen. Kreß ist drauf und dran, sich vor lauter Tatendurst in eine gefährliche Monopolstellung hineinzumanövrieren. Wehe, wenn irgend jemand versäumt, seinen Ball bei erster Gelegenheit an Richard abzuliefern — er wird sofort nachdrücklich zur Ordnung gerufen. Prompt läuft das ganze Eintrachtspiel nach kurzer Zeit auf Richard zu. Wie Richard sich in Hamburg für die aufmerksame Bedienung bedankte, war wieder einmal hinreißend. Machtlos stand der lange Korbjuhn, der auf Kreß aufpassen sollte, seinem Peiniger vis-a-vis. Einmal hielt Korbjuhn den bereits wieder Entwischten von hinten mit beiden Armen fest. So sieht das aus, wenn ein Verteidiger seinen Bankrott erklärt.

Kreß schlug fast aus jeder Vorlage das Höchstmögliche heraus. Daran gibt's nichts zu tadeln. Die Gefahren seiner Autorität sind indirekter Natur. Im Volksparkstadion wurde es besonders deutlich. Verschüchtert durch Patzer und energisches Zischen von rechts kam auf einmal der Punkt, von dem an die jungen Leutchen im Riederwälder Angriff und sogar die renommierten Außenläufer nicht mehr das Tor suchten, sondern Richard Kreß suchten. Je prekärer die Situation von Hamburg wurde, desto tiefer setzte sich der Eindruck fest, daß der ballführende Eintrachtspieler nicht seine volle Handlungsfreiheit besaß.

Diese Einbuße schadet einer eigenwilligen Artistennatur vom Schlage Ernst Kreuz' noch mehr als den anderen. Kreuz war rührend bemüht, dem gefürchteten Jürgen Werner nachzusteigen. Ob es an diesen lästigen Störversuchen oder an Jürgens eigener Formkrise lag — jedenfalls gab sich Werner diesmal mit einer weit bescheideneren Rolle zufrieden als während der Hamburger Europacupserie. So oder so blieb der eigentliche Kreuz, abgesehen von einigen späten Lichtblicken, unsichtbar. Von einer bedenklichen Blässe war auch die Partie Stinkas, der schon im Anfangsstadium unter einer seltsamen Mattigkeit litt.

Für die Sonderleistungen, mit denen die Eintracht diese Mängel überbrückte, sorgten Weilbächer, der als einziger Abwehrspieler von seiner Dortmunder Form keine Spur eingebüßt hatte, und in zweiter Linie Lindner, der sich von Woche zu Woche ein Stückchen weiter nach oben arbeitet. Sowohl Weilbächer, den nach dem zweiten Hamburger Tor die Verzweiflung in den Sturm trieb, als auch Lindner ließen jedoch nach der Pause leicht nach. Zusehends nahm auch die Zahl der Schüsse ab. Erwin Stein schien innerlich nicht über zwei verunglückte Mittelstreckenraketen hinwegzukommen, die weit zurücklagen. Erich Meier, der Bravourschütze des Eintrachttreffers, brauchte nur scharf aufs Tor zu sehen — schon rasten mehrere Feuerwehren heran, um die Schußrichtung abzusichern.

Vor Aufgaben vom Schwierigkeitsgrad eines Weltmeisterschaftsturniers standen Lutz und Eigenbrodt im Kampf gegen Uwe See1er und Charlie Dörfel. Beide waren in guter, Eigenbrodt sogar in bestmöglicher Verfassung. Aber Seeler und Dörfel ließen sich nicht unterkriegen. Was Lutz seinem Gegner an Spurtschnelligkeit voraus hatte, machte dieser durch Aktionsschnelligkeit wett. Eigenbrodt konnte sich nur durch erbarmungslose, freilich immer noch erlaubte Robustheit Respekt verschaffen. Dagegen hatte Höfer gegen den schwachen Neisner den Himmel auf der Welt. Torhüter Loy beschämte alle Unken, die bei seinen anfänglichen Unsicherheiten tief erschraken, späterhin mit phantastischen Reflexparaden. Ludwig Dotzert

 

Kurbjuhn und Kress

 

Weilbächer, Kress, Kurbjuhn und Kreuz

 

Kurbjuhn, Kress, Stein, Krug Seeler, Lutz, Loy


Meiers Führungstor a la Dortmund

Die neunzig Minuten des Hamburger Spieles

Nach vier Minuten stellte sich Eintrachts Führungstreffer ein, der eine frappierende Aehnlichkeit mit dem Dortmunder Treffer vor acht Tagen besaß. Diesmal wurde Kreß von dem Duo Stinka-Lindner durch die Mitte geschleust, schoß, und Schnoor wehrte den Ball zum linken Flügel ab. Zu Meier, und vom Linksaußen flitzte ohne zögern ein Schrägschuß mit dem Außenrist schräg ins Hamburger Tor. 1:0. Ein paar Sekunden vorher brach ein toller Weilbächer-Schuß aus 15 Metern nach einem indirekten Freistoß hoch am rechten HSV-Pfosten.

Die Eintracht besann sich nicht lange. Beim ersten Spielzug schoß Stein weit vorbei, beim zweiten lag Schnoor, als Stinka besser zielte, in der Torecke auf dem Ball. Noch gewaltiger war der nächste Vorstoß des HSV, bei dem Seeler den vorschwebenden Ball einfach aus der Luft knallte. Viel zu hoch!

Es schien in diesem Blitztempo weiter zu gehen. Aber allmählich fand sich auch der HSV, und gegen die tiefstehende Sonne hatte es die Eintracht-Deckung nicht einfach. Der Ausgleich schien fällig, als in der 19. Minute Dörfel Eigenbrodt davonzog. Aber ehe der Hamburger ausholte, schnippte ihm Lutz noch den Ball vom Stiefel zur Ecke. Die Zuschauer waren kaum zu beruhigen und schrien lange nach Elfmeter bei dieser einwandfreien Aktion. Als Dörfel dann einmal blitzschnell flankte und Stürmer aus der Drehung schoß, hielt Loy im Stil eines südländischen Hüters.

Die Eintracht-Deckung fing die HSV-Angriffe auf, als wäre sie von Ulm oder Schweinfurt und nicht vom deutschen Meister gestartet. Die geschickte Staffelung führte schon wieder aus der eigenen Hälfte zu Gegenzügen. Man trug sie meist gemächlich nach vorn, ständig über den rechten Flügel, wo Kreß mit Kurbjuhn tolle Spaße trieb. Einmal hielt der Hamburger den davonspurtenden Eintrachtler mit beiden Händen fest. Inzwischen bastelten die Frankfurter auch ein Tor, aber Malka hatte noch nicht gepfiffen und war noch mit dem Notieren Kurbjuhns beschäftigt.

Schrecken plötzlich bei der Eintracht, als Lutz (Sonne!) unbedrängt den Ball verfehlte und Stürmer allein durchlief, aber über Loy in die Luft bollerte.

Der linke Eintracht-Flügel, bisher wenig zu sehen, kam erst nach einer halben Stunde auf die Oberfläche. In der 35. Minute schob Weilbächer einen Freistoß zu Kreuz, dessen wuchtiger Schuß von der Querlatte zur Seite sprang. Das zweite Eintracht-Tor schien im Anzug. Riesenbeifall für Kreß, der Wulf überspurtete und knapp übers Tor schoß.

Und dann mußte Kreuz das Ziel treffen. Mit einem geschickten Dribbling war Werner aus dem Weg geräumt, aber ein Schüßlein vom Elfmeterpunkt rollte weitab ins Leere.

Mit Dampf stürzte man sich in die zweite Hälfte. Diesmal knallte Stein, wie anfangs Seeler, in die Wolken. Schnoor mußte ran! Doch der HSV, beim Wiedererscheinen von Sprechchören aufgestachelt, hatte ebenfalls gute Chancen. Ein Kopfball Seelers nach einer Ecke riß Loy weit draußen mit den Händen herunter, Stürmer wählte weiterhin den zweiten Stock zum Ziel, und die Eintracht begann im Angriff auf der Stelle zu tänzeln. Als auch das HSV-Spiel im Mittelfeld „einzuschlafen" schien, fielen jeweils zwei Tore.

Steilvorlagen, die beiden Riederwäldern völlig abgeschrieben waren, brachten den Umschwung. Zuerst (62.) schickte Wulf aus dem Mittelkreis heraus den Ball nach vorn, den See1er mit dem Kopf in die Gasse verlängerte. Wieder war Stürmer zur Stelle, und zum einzigen Mal hatte der Schuß des Hamburgers die gewünschte Richtung. 1:1. Genau zehn Minuten später setzte Krug fast von der gleichen Stelle wie vorher Wulf die Vorlage an. Sie schwebte nach halbrechts zu Seeler, der gegen zwei Eintrachtler und Loy im richtigen Moment den Ball in die lange Ecke zog. 2:1.

Die Eintracht bäumte sich noch einmal auf. Lindner schoß auf die Ecke und auf den Mann. Stein aus spitzem Winkel. Schnoor wurde zum wichtigsten Mann dieser Endphase. Zwischendurch ein toller Seeler-Schuß, von Loy mit toller Parade abgewehrt. Eintracht-Angriffe von Loy mit toller Parade abgewehrt. Eintracht-Angriffe, HSV-Befreiungsschläge auf die Laufbahn. Zu spät! Der Sieg wurde zwischen der 4. und der 62. Minute versäumt. Der HSV nützte seine Chancen besser. Bert Merz (aus 'Der neue Sport' vom 05.06.1961)

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg