Eintracht Frankfurt - Borussia Dortmund

Deutsche Meisterschaft 1960/61 - 5. Spieltag Endrunde, Gruppe 1

1:2 (1:1)

Termin: 14.06.1961 im Stadion
Zuschauer: 68.000
Schiedsrichter: Dusch (Kaiserslautern)
Tore: 1:0 Erwin Stein (19.), 1:1 Alfred Schmidt (32.), 1:2 Wolfgang Peters (73.)

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Eintracht Frankfurt Borussia Dortmund

 


  • Heinz Kwiatkowski
  • Wilhelm Burgsmüller
  • Rolf Thiemann
  • Dieter Kurrat
  • Alfred Kelbassa
  • Wolfgang Peters
  • Gerhard Cyliax
  • Alfred Schmidt
  • Jürgen Schütz
  • Friedhelm Konietzka
  • Hans Cieslarczyk

 

Trainer Trainer
  • Max Merkel

 

Endrundensuppe ohne goldene Löffel

Bisher elf Lattenschüsse / Lutz war im Training bester Elfmeterschütze

Der große Sonderbericht des „Neuen Sport" mit Beiträgen von Erich Wick, Bert Merz, Ludwig Dotzert und Horst Kickhefel

Eintracht Frankfurt—Borussia Dortmund 1:2 (1:1)

Wenn man bedenkt, daß die Endrunde das Schönste ist, was der Fußball im Laufe des Jahres bietet, dann tut es einem weh zu sehen, wie sie durchgepeitscht wurde. Entscheidend dafür, wer den 1. FC Nürnberg ins Endspiel begleitet, war vielleicht dieser eingeschobene Mittwochtermin (der Bericht ist vor dem Schlußsonntag geschrieben), an dem die beiden Vereine scheiterten und scheitern mußten, die eine halbe Woche vorher ihre größte Leistung gezeigt hatten. Der FC Saarbrücken, der die Borussia bezwungen hatte, kam als schwächlicher Gegner nach Hamburg und strich dort die Segel, und die Eintracht, die den HSV auf die Knie gezwungen hatte, kapitulierte auf eigenem Platz vor der Borussia. Zwei Siege in diesem mörderischen Doppelkampf zu erringen, war offensichtlich nicht möglich.

Es ist inzwischen viel Zeit vergangen, man gewinnt Abstand zu den Dingen des letzten Mittwochs, und je weiter wir entfernt sind, um so mehr möchten wir feststellen, daß die Eintracht die Endrunden-Suppe nicht mit goldenen Löffel hat schlucken dürfen. Elf Lattenschüsse hat man gezählt, in diesem Mittwochspiel kam ein verschossener Elfmeter hinzu, und dazu verletzten sich Kreß, Solz und Stein, so daß die Eintracht mit neuneinhalb Spielern zu Ende spielte.

Die Frankfurter Sportpresse ist bekannt dafür — und das ist gut so —, daß sie sich bemüht, wirklich objektiv zu sein und die Chance des auswärtigen Klubs ebenso zu sehen wie die des heimischen Vereins. Da besteht leicht die Gefahr, „tiefzustapeln". Sagen wir ruhig, daß die Eintracht, wenn sie das 2:0 durch Elfmeter erreicht und alle Spieler heil geblieben wären, wohl gewonnen hätte. Das hat nichts damit zu tun, daß wir den Dortmunder Sieg als unverdient bezeichnen möchten. Von Anfang an hatte Borussia die Zuschauer mit einem Angriffsspiel überrascht, auf das die Frankfurter Abwehr fast nie die richtige Einstellung fand.

Gerade in der Zeit, als Lutz den Elfmeter vergab, hatte sich die Deckung der Frankfurter gefangen, die Eintracht spielte selbstbewußt und gefährlich. Hier also ist der Ansatzpunkt dafür gegeben zu sagen: Die Chance der Eintracht ist durch Pech und Zufall vertan worden. Uebrigens haben die Zuschauer sich — von ihrer Seite aus zu Recht — gefragt, warum gerade Lutz den Elfmeter treten mußte. Wenn uns aber der Spielausschußvorsitzende Berger in einem Gespräch, das wie nachher hatten, versicherte, daß Lutz im Training als der beste und sicherste Elfmeterschütze erkannt worden sei, dann muß eben doch jede Kritik auch an dieser Maßnahme verstummen.

Lassen wir den Dingen ihren Lauf! Es war ein großes Jahr der Eintracht, aber vieles spricht dafür, daß diese Mannschaft, die im kommenden Jahr zusammenbleibt und noch durch Horn verstärkt wird, den Prozeß der Reife durchmacht und einer Steigerung durchaus fähig erscheint. Erich Wick


Die sieben Minuten vom Mittwoch

Schon der Auftakt machte stutzig. Irgend etwas war anders an der Eintracht als vier Tage zuvor. Aber was? Wollte man die Dortmunder in einen Hinterhalt locken oder war einem nur eine Laus über die Leber gelaufen? Jedenfalls leistete man auf den erwarteten Großversuch, dem Gegner schon im ersten Ansturm die Luft abzuschneiden, fast einmütig Verzicht. Statt der Riederwälder schlugen die Dortmunder sofort los. Abwehrschreck Konietzka gaukelte nach Herzenslust. Lutz, Weilbächer und Schymik mußten sich bei wilden Spreizsprüngen fast die Hosennähte aufreißen, um Konietzka kurz vor dem Einschuß noch den Ball wegzuspießen. Höfer rettete vor Cieslarczyk zur Ecke. Es dauerte eine volle Viertelstunde, bis sich die Riederwälder zu einer energischen Antwort aufrafften.

Der nachgeholte Auftakt der Eintracht währte ziemlich genau sieben Minuten. Selten haben die Riederwälder so viel in eine so kurze Zeit hineingepackt wie diesmal. Die sieben fetten Minuten vom Mittwoch enthielten unter anderem:

...einen geschickt über die Mauer gehobenen Freistoß von Weilbächer, der wahrscheinlich nur deshalb nichts einbrachte, weil Peters das Schußbein Erwin Steins in letzter Minute gefährlich blockierte,

...die letzten ungehemmten Sprints von Richard Kreß vor seiner Oberschenkelzerrung,

...einen bravourösen Schuß Erwin Steins aus dem Drehsprung an die Latte,

...eine hohe Flanke Meiers, die Erwin Stein mit dem Kopf annahm, um den vor ihm auftupfenden Ball mit dem rechten Fuß hart am herauslaufenden Torhüter Kwiatkowski vorbei ins Netz zu stoßen. Ein Führungstreffer wie aus dem Modellbaukasten,

...Steins Großchance zum zweiten Tor, die durch Thiemanns Foul an Stein zuerst platzte und unmittelbar darauf zur Größtchance wurde, als Schiedsrichter Dusch auf Elfmeter erkannte,

...den Elfmeter-Flachschuß des Friedel Lutz, der am Pfosten vorbei ins Nichts flitzte.

Die sieben fetten Minuten vom Mittwoch enthielten alles, was man zum Siegen und was man zum Verlieren braucht.

Aufstieg und Fall des rotschwarzen Teams waren also im Grunde schon vor Ablauf der ersten Halbzeit ein abgeschlossenes Kapitel. Kreß im Kampf gegen sein Handicap eine leichte Beute seines Bewachers, Solz verletzt auf Linksaußen, Meier in dem für ihn tödlichen Gebiet des linken Verbinders — nach dem Ausgleichstreffer von Schmidt, der in der 31. Minute einen bereits abgewehrten Ball aus kürzester Entfernung gerade noch am Pfosten vorbei in die Ecke brachte, nach dem 1:1 (statt 2:0 für die Eintracht) klappte den Riederwäldern zunächst einmal überhaupt nichts mehr. Während der Pause bot die Kabine der Riederwälder ein Bild des Jammers. Bandage für Kreß, Massage für Solz, Massage für Stein, der ebenfalls über heftige Schmerzen klagte. Die elf Verzagten traten die zweite Halbzeit an wie eine Strafe.

Erstaunlich, was diese Mannschaft, in der nur noch acht unverletzte Spieler standen, von denen einer, nämlich Meier, notgedrungen auch noch auf einem für ihn unmöglichen Posten herumstocherte, gegen das Dortmunder Team der perfekten Techniker in den letzten 45 Minuten für Möglichkeiten herausholte, der Niederlage trotz allem zu entrinnen. Da waren ein bombastischer Lattenschuß Lindners aus 20 Metern, ein von Kurrat ins entlegene Toreck geprallter Stinka-Schuß und ein herrlich auf den Winkel gezielter Kopfball des gleichen Stinka, bei denen Kwiatkowski wahre Wunderwerke an Torhüterkunst verrichten mußte.

Dazwischen aber lag jener zunächst offenbar nicht ganz ernst genommene Parforceritt des Außenläuferponnys Peters, der in der 74. Minute von den Mittelfeldbereichen bis zum kurz vor der Torlinie gelegenen 2:1-Punkt kaum auf Widerstand stieß. Ludwig Dotzert


Drei verletzte Spieler

Der Vergleich mit einem Endrundenspiel aus dem Jahre 1959 drängt sich auf. An der gleichen Stelle mußten damals neun Eintrachtler ihren knappen 2:1-Sieg über den 1. FC Köln über die Runden bringen, und ein undankbares Publikum pfiff eine garstige Melodie dazu. Damals wurde Pfaff nach wenigen Minuten, Horvat nach einer halben Stunde verletzt. So standen wie diesmal gegen Borussia zwei Lädierte auf den Flanken.

Zu den verletzten Solz und Kreß kam heuer noch ein angeschlagener Stein, der ebenfalls in der Pause behandelt werden mußte. Was konnte man von dem Sturm mit einem „ungelernten" Halbstürmer wie Meier und einem nervösen Lindner, dem der Ball schon bei der Annahme an diesem Tag nicht gehorchen wollte, im zweiten Teil erwarten? Steins Unternehmungskraft blieb fast die alte. Nur die Wege wurden ihm immer mehr verbaut, weil Dortmunds Deckung nur noch die halbe Aufmerksamkeit auf die Flügel zu richten brauchte. Als noch alles gesund war im Eintracht-Sturm, zitterte ein so erfahrener Mann wie Burgsmüller bei jedem Riederwälder Vorstoß. Er ließ Kreß und Lindner über seine Schuhe purzeln, daß Dusch energisch mit dem Finger drohte. Da drehte und wand sich Stein um Freddy Kelbassa, der erst stark wurde, nachdem sich viele Helfer zu ihm gesellten. Der sicherste, der nie wankte, war Kwiatkowski, dem auch das nötige Glück bei den Lattenschüssen und dem vielzitierten Elfmeter nicht fehlte. Der Elfmeter, den Lutz vergab, hätte zum 2:0, der Schmetterball Lindners in der 53. Minute an die Latte noch zum 2:1 für die Eintracht führen können.

Die Aufgabe der Eintracht-Deckung war schwerer als im Dortmunder Vorspiel. Konietzka, der damals bei Weilbächer völlig untertauchte, hatte diesmal einen Sonnentag. Zweimal bremste ihn zu Beginn der Eintrachtler. Dann schlug der Dortmunder Halblinke Haken wie ein Hase, und reihenweise blieben die Frankfurter auf der Strecke. Noch viel wirksamer spielte Aki Schmidt, der gegen die Eintracht wohl immer die guten Hosen anhat. Er war auch beim 1:1 ein ausgesprochenes Glückskind, denn ganz unprogrammgemäß kam ein Ball zu ihm, als er in der 32. Minute einmal am linken Flügel stand. Konietzka und Schmidt führten auch Schütz brav mit ins Gefecht. Als Torschütze spielte der Borussia-Mittelstürmer auch im zweiten Spiel mit der Eintracht keine Rolle. Die Außen Cyliax und Cieslarczyk hatten bei den Eintracht-Verteidigern nicht allzu viel zu sagen. Um so stärker schob sich Peters bei jeder passenden Gelegenheit in den Sturm der Westdeutschen vor, und da sich wohl niemand für ihn zuständig fühlte, fiel ausgerechnet durch den linken Läufer auch das entscheidende Tor von halbrechts aus.

Die gute Läuferreihe und das starke Innentrio waren neben Kwiatkowski die Trümpfe der Westfalen In diesem Spiel. Auf der Eintracht-Seite aber geriet die Läuferreihe in die zwiespältigsten Lagen zwischen Aufbau und Abwehr. So nahm es kein Wunder, daß bei Weilbächer, Lutz und Stinka die Mischung zwischen absoluter Höhe und erstaunlichen Tiefen wohl am auffallendsten war. Das Abschirmen der freien Räume wurde um so schwieriger, weil die Halbstürmer-Hilfe im Mittelfeld ausblieb und bei der Unberechenbarkeit der Dortmunder Zick-Zack-Kombinationen sich viele Mißverständnisse einschlichen. Immerhin wurde die Deckung, mit einem wiederum länderspielreifen Höfer, im gesamten ihren Aufgaben so gerecht, daß Loy kaum mehr zu tun übrig blieb als im ersten Spiel gegen Saarbrücken. Bert Merz

Gramlich: Ausfall von Kreß und Solz war zuviel

Borussia-Vorsitzender Dr. Willms: „Diesen schönen Sieg haben wir dem unbändigen Siegeswillen der Mannschaft zu verdanken. Auch der Wiedereintritt von Konietzka belebte das Angriffsspiel merklich."

Hans Huber, 2. Vors. des DFB: „Nachdem der Eintracht-Motor Kreß durch Verletzung ausgefallen war, kam das Frankfurter Spiel nicht mehr so recht in Schwung. Borussia war besser und hatte in Schmidt und Peters die großartigen Gestalter im Mittelfeld."

Eintracht-Vorsitzender Rudi Gramlich: „Durch den Ausfall von Kreß und Solz war diese starke Borussia einfach nicht zu schlagen." (aus 'Der neue Sport' vom 19.06.1961)

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