1. FC Kaiserslautern - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 20. Spieltag

0:1 (0:1)

Termin: Sa 03.02.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 0:1 Roland Weidle (17.)

 


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1. FC Kaiserslautern Eintracht Frankfurt

  • Josef Stabel
  • Lothar Huber
  • Dietmar Schwager
  • Günther Reinders
  • Fritz Fuchs
  • Wolfgang Seel
  • Ernst Diehl
  • Josef Pirrung
  • Hermann Bitz
  • Jürgen Friedrich
  • Klaus Ackermann

 


 

Wechsel
  • Idriz Hosic für Günther Reinders (52.)
  • Klaus Toppmöller für Josef Pirrung (70.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

Der Bart ist ab

"Als wir kürzlich in Frankfurt im Pokalrückspiel verloren, wurde Stegmayer verletzt. Er hat aufgeholt, wird aber noch die Reservebank drücken. Mich freut besonders die Formverbesserung Reimanns", erklärt Hannovers Trainer Hipp vor dem Spiel in Frankfurt: "Die bereite 16 Pluspunkte stärken unser gutes Gefühl. Mit 25 Punkten wäre der Abstieg bereits ganz verscheucht. Das Spiel gegen Schalke war gutklassig, darum keine Änderung in Frankfurt. Der erste Auswärtspunkt winkt!" "Mit einer Niederlage auf eigenem Platz könnte sich Ribbeck für Hannover empfehlen", steht sogar, allerdings nicht ganz ernst gemeint im "Bundesliga-Kurier" von Hannover 96 zu lesen. "Wer wird unser nächster Trainer?", fragt man sich dort. Ribbeck wird es sicher nicht, möchte man antworten, und wenn, würde er sich mit einem Heimsieg empfehlen wollen.

Dazu hat der Eintracht-Trainer jedoch keine Gelegenheit, denn am Spieltag sind sich im Waldstadion sowohl Schiedsrichter Kindervater als auch die Vertreter beider Vereine schon um 11 Uhr einig: "Hier kann nicht gespielt werden." Nachts hat es geschneit, morgens geregnet. "Nach zehn Minuten wäre es von Tor zu Tor ein einziger Morast gewesen", sagt Stadion-Direktor Erdmann. Ribbeck reagiert und setzt für seine Schützlinge für den Nachmittag Hallentraining an.

"Die beiden Punkte, mit denen man dank unserer guten Heimserie rechnen konnte, hätten uns in der Tabelle gut getan, denn beim nächsten Auswärtsspiel in Kaiserslautern wird es wieder hart hergehen", ist Ribbeck über den Spielausfall nicht erfreut, gewinnt ihm aber etwas Positives ab: "Auf der anderen Seite hätten uns gegen Hannover Parits und Nickel mit Sicherheit gefehlt." Nachdenklich schränkt er aber ein: "Allerdings weiß ich nicht, ob einer von beiden in der Pfalz dabei sein kann. Auf den Betzenberg kann man nur wirklich gesunde Spieler schicken."

Thomas Parits, der wegen einer Zerrung fehlt, ist am Montag wie Nickel wieder ins Training eingestiegen. "Bernd Nickel, der seit langen Beschwerden mit dem rechten Fuß hat, einem Spreizfuß, soll es nun mit einer Einlage versuchen, die in den Schuh eingepasst ist", berichtet der "Kicker": "Gleichzeitig wurde aber bei einer gründlichen Untersuchung festgestellt, dass Nickel nach seiner Schienbeinverletzung offensichtlich in dem letzten Spiel der Vorrunde, um den rechten Fuß zu schonen, fast nur mit dem linken Fuß gearbeitet hat." "Bei Nickel werden wir also ganz vorsichtig anfangen und jedes Risiko vermeiden müssen", erklärt Ribbeck: "Wir wissen ja, wie wichtig gerade Nickel mit seinen langen Pässen und harten Schüssen aus der zweiten Reihe für unser Angriffsspiel ist. Aber er kann diese Funktion nur erfüllen, wenn er wirklich ganz gesund ist. Deshalb muss ich es bei ihm ganz langsam angehen lassen."

Langsam geht es auch bei Gert Trinklein voran, dessen Gesichtskraut zurzeit ungeschoren davon kommt. Dem Libero wächst ein Bart, weil er sich erst dann wieder rasieren will, wenn der Eintracht der erste Auswärtssieg gelungen ist. Zwar hat die Eintracht seit Sommer 1971 zu Hause kein Spiel verloren, doch in dieser Spielzeit auf fremden Platz auch noch keines gewonnen. Das geht dem 1. FC Kaiserslautern ähnlich. Auswärts steht mit vier Punkten etwas mehr auf dem Konto als der klägliche eine Zähler, den die Frankfurter bisher erringen konnten, doch siegen konnten die Pfälzer in der Fremde bislang ebenfalls nicht. Auf dem Betzenberg sind sie dagegen eine Macht wie die Frankfurter im Waldstadion und in dieser Saison in der Liga bislang ebenfalls ungeschlagen.

Die Lauterer warten zwar seit fünf Punktspielen auf einen Sieg, Trinkleins Bart scheint dennoch nicht bedroht zu sein. Zu schwach war die Vorstellung der Eintracht in Hamburg und auf dem Betzenberg, wo für die Hessen ohnehin immer ein rauer Wind zu wehen pflegt, wartet mit dem Lauterer Kapitän Jürgen "Atze" Friedrich ein ehemaliger Eintrachtspieler, dem immer noch kein Sieg eine größere Freude bereitet, als der gegen seinen alten Verein. Und aus dem Ligapokal haben "Atze" und seine Kumpane auch noch eine Rechnung mit den Riederwäldern offen: Am Bornheimer Hang und auf dem Betzenberg schlug Ribbecks Truppe die Lauterer zwei Mal. Auf Frankfurter Seite hat sich aber auch Jürgen Grabowski einiges vorgenommen, denn der Eintracht-Kapitän will beim ersten Länderspiel des Jahres am 14. Februar in München gegen Argentinien wieder bei der DFB-Auswahl dabei sein: "Eine gute Leistung in Kaiserslautern wäre eine besondere Empfehlung."

Was die 12.000 Zuschauer, die es am Samstagnachmittag trotz Kälte auf den Betzenberg gezogen hat, nach dem Anpfiff von Schiedsrichter Hennig von den Gastgebern geboten bekommen, ist jedoch keine länderspielreife, sondern eine schwache Leistung. Das spielerisch Fehlverhalten der Lauterer beginnt in der Defensive, setzt sich über ein druckloses Mittelfeld fort und endet in einem Sturm, der diese Bezeichnung nicht verdient.

Die Lauter können den rutschigen Untergrund nicht zur Entschuldigung heranziehen, denn die Gäste haben entweder geeignetere Stollen aufgezogen oder sind schlicht die bessern Fußballer, die sich mit überlegener Technik das schwierige Geläuf zunutze machen. Gestützt auf eine felsenfest stehende Abwehr mit einem sicheren Dr. Kunter und den kopfballstarken Bollwerk, das aus Kliemann, der heute vor der Abwehr spielt, sowie Körbel und Trinklein besteht, zieht die Eintracht ein Offensiv- und Konterspiel auf, bei dem der Ball gekonnt und Gegner hinterher läuft. Die Frankfurter, bei denen nach der letzten Niederlage Schämer den Platz von Kalb eingenommen hat, beherrschen das Spiel, ihre Kombinationen laufen mühelos über fünf oder sechs Stationen. Die Krönung des feinen Frankfurter Spiels gelingt Weidle nach 17 Minuten, als er von der Strafraumgrenze mit einem angeschnittenen Schuss die Führung erzielt.

Die Pfälzer finden kein Mittel zur Gegenwehr, der nun erwartete Sturmlauf bleibt aus. Der schnelle Rechtsaußen Seel wartet vergeblich, dass er von seinen Mitspielern gewinnbringend eingesetzt wird, und "Atze" Friedrich wird auf seinem Lieblingsposten im Mittelfeld arg vermisst. Es fehlt der Motor im Mittelfeld, weil Friedrich in den Sturm gerückt ist. Auch wenn Friedrich in der 39. Minute das Holz des Frankfurter Gehäuses trifft, ändert es nichts an der Tatsache, dass Friedrich in vorderster Linie verschenkt wird, zumal er im Duell mit Kliemann hoffnungslos unterlegen ist. In diesen ersten 45 Minuten werden die Lauterer vom eigenen Publikum ausgepfiffen, weil sie nach spätestens zwei Stationen den Ball verlieren.

"Das sieht alles ganz schön aus bei uns. Aber vorn passiert nichts", bemängelt der verletzte Eintrachtspieler Friedel Lutz zur Halbzeitpause und Libero Trinklein grantelt trotz der Führung: "Das Bild trügt. Man könnte meinen, wir hätten Kaiserslautern im Griff. Aber ganz so ist es nicht." Aufgebracht ist Jürgen Friedrich, der dem Schiedsrichter in der Pause seine zehn Zentimeter lange Schnittwunde zeigt. "Das kommt von den Stollen an den Frankfurter Schuhen", klagt der Lauterer Kapitän.

Auf den Rängen wird der Ruf nach Hosic laut. "Hosic, wo bist Du?" schallt es tausendfach über den Betzenberg. In der 52. Minute wissen sie es: Auf dem Patz. Trainer Weise wechselt den torgefährlichen Jugoslawen für Reinders ein. Doch auch Hosic ist nicht der Mann, Kliemann zu überwinden. Wegen einer Grippe hat Hosic in dieser Woche kaum trainieren können und das merkt man ihm auch deutlich an, in bester Verfassung ist er nicht. Dennoch gelingt es den Lauterern jetzt, ihre Gäste unter Druck zu setzen, was die Eintracht ihrerseits zu einer ganzen Reihe an Konterchancen nutzt.

Doch nun gibt es endlich auch im Eintracht-Strafraum Torchancen zu sehen. Fuchs schießt den Ball knapp über das Tor, Bitz zielt mit einem Gewaltschuss knapp den Kasten. Wenig später, es ist die 68. Minute, trifft Libero Schwager nur die Latte des Frankfurter Tores. Dem zweiten Holztreffer der Pfälzer steht allerdings auch ein Pfostenschuss Weidles gegenüber, der nur knapp sein zweites Tor verpasst.


Dr. Kunter in Paradeform

Eintrachts erster Auswärtssieg der Saison ist in Gefahr. Die Frankfurter müssen sich in dieser zweiten Halbzeit auf ihre Abwehr-Asse Trinklein, Körbel, Kliemann und Schämer und auf ihr Glück verlassen. Rohrbachs Versuche, das Sturmspiel anzukurbeln, treten wegen der Kaiserslauterer Offensive mehr und mehr in den Hintergrund. Grabowski, der in der ersten Halbzeit seinem Bewacher Reinders manchen Streich gespielt hat, lässt ebenfalls nach.

Friedrich, der im zweiten Abschnitt aus dem Mittelfeld agieren und so Kliemann aus dem Wege gehen kann, mausert sich auf der anderen Seite zum lange vermissten Antreiber der Lauterer. Doch er allein kann keine Wende herbeiführen. Zu lange wird der Ball immer noch geführt, ehe man einen freigelaufenen Spieler entdeckt. Verschenkte Zeit, die der Abwehrverbund der Eintracht nutzt, um sich bis zur Undurchlässigkeit zu formieren.

Zehn Minuten vor dem Ende muss Jürgen Grabowski angeschlagen das Feld verlassen. Es ist in dieser Minute, in der der zehn Minuten zuvor eingewechselte Bundesligadebütant Klaus Toppmöller die größte Chance zum 1:1 hat. Doch gegen den unbezwingbar scheinenden Dr. Kunter lässt der unerfahrene junge Stürmer diese Gelegenheit ungenutzt. Kaiserslauterns erste Heimniederlage bedeutet Frankfurts ersten Auswärtssieg. Zwei Serien gehen zu Ende und Trinkleins Gesichtbehaarung den Weg alles Irdischen: Der Bart ist ab.

Lautern bleibt mit 20 Punkten auf Platz 9, die Eintracht lauert mit einem Zähler und einem Spiel weniger auf Platz 10. "Das war auf diesem glitschigen Boden der reinste Eiertanz", meint Kaiserslauterns Trainer Weise zum Spiel, "verdient, aber etwas glücklich", findet sein Kollege Ribbeck das Ergebnis. "Von Kunter bis zum jungen Hofmeister - einer hat soviel Anteil am doppelten Punktgewinn wie der andere, ich möchte keinen besonders herausstellen", kündigt Ribbeck an, um es dann doch zu tun: "Kliemann hat im Mittelfeld gezeigt, dass er nicht nur groß ist und gut Kopfball spielen kann. Auch mit den Füßen brachte er gescheite Sachen zustande und war maßgeblich an der Vorbereitung des entscheidenden Tores beteiligt."

Jürgen Grabowski wird vom "Kicker" zum 5. Mal in dieser Saison in "die Elf des Tages" berufen. "Eine Zerrung an der hinteren Oberschenkelmuskulatur, die ohne Feindeinwirkung zustande kam", sei der Grund für Grabowskis Auswechslung in der Schlussphase gewesen, teilt Ribbeck mit, sieht die Verletzung aber nicht als schwerwiegend an: "Ich hoffe, den Grabi am nächsten Samstag einsetzen zu können." Der Jubel der Frankfurter Schlachtenbummler über den ersten Auswärtssieg der Saison kann heute ohnehin nichts mehr bremsen "So ein Tag, so wunderschön wie heute", singen sie glücklich, während die Eintracht-Spieler auf dem Weg zum Bus durch ein Fahnenspalier schreiten. (rs)

 

 


 

 

Heimstark? - Hier kommt die Eintracht!

Am kalten Samstagnachmittag bleiben viele Pfälzer hinter dem warmen Ofen hocken - nur 12.000 Zuschauer finden den Weg ins Stadion. Enttäuscht werden viele später wieder nach Hause gehen und wünschen, sie hätten es ebenso gemacht: Spielkultur und Technik haben um 17.15 Uhr über Einsatzwillen gesiegt.

Die Lauterer Spieler laufen - bei der Eintracht aber läuft der Ball. Und zwar schnell: Nachdem Roland Weidle in der 17. Spielminute die schnelle Führung gelingt, laufen die Frankfurter Kombinationen sicher auf dem Betzenberg. Lautern bleibt aktiv und kommt auch zu Chancen - Ex-Eintrachtler Jürgen Friedrich trifft die Latte und Abwehrspieler Schwager wiederholt das Kunststück - aber die Abwehr um Trinklein und Kliemann hat die Lufthoheit im Strafraum und Dr. Kunter erwischt einen Traumtag. Die Gegenstöße mit Grabowski und Hofmeister bringen die nötige Entlastung, die eingewechselten Jürgen Kalb und Bernd Nickel helfen in der Schlussphase, den Sieg über die Zeit zu bringen: zwei Punkte und der erste Auswärtssieg sind im Südwestderby am 20. Spieltag unter Dach und Fach gebracht. (ae)


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