Eintracht Frankfurt - Eintracht Braunschweig

Bundesliga 1972/1973 - 27. Spieltag

1:0 (0:0)

Termin: Sa 31.03.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Dr. Gerd Siepe (Köln)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (90.)

 


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Eintracht Frankfurt Eintracht Braunschweig

 


  • Bernd Franke
  • Wolfgang Grzyb
  • Bernd Gersdorff
  • Friedhelm Haebermann
  • Franz Merkhoffer
  • Klaus Gerwien
  • Hans-Jürgen Hellfritz
  • Bent Jensen
  • Ludwig Bründl
  • Allan Michaelsen
  • Eberhard Haun

 

Wechsel Wechsel
  • Hartmut Konschal für Bent Jensen (57.)
Trainer Trainer

 

 

Die Rückkehr der drei Musketiere

Die Eintracht dümpelt im Niemandsland der Tabelle, ihr heutiger Gegner - der Namensvetter aus Braunschweig – kämpft dagegen gegen den Abstieg. Braunschweigs Trainer Otto Knefler stellt für das Gastspiel in Frankfurt seine Defensive um: Mittelfeldfeldspieler Bernd Gersdorff, beim 2:1-Vorrundensieg im Wiederholungsspiel mit einem Elfmeter erfolgreich und mit bisher sechs Saisontreffer nicht der ungefährlichste offensive Akteur der Niedersachsen, muss in der Abwehr aushelfen.

Die Elf von Knefler sorgt zwar sportlich nicht für Furore, hat aber mit ihrem veränderten Vereinswappen für einige Aufregung beim DFB gesorgt. Das Verbot der Trikotwerbung wurde so elegant und legal umgangen, am letzten Spieltag lief man erstmals in der Bundesliga mit dem Markenzeichen eines Produktes von Sponsor Mast auf der Brust auf: einem Hubertus-Hirsch, der bundesweit als Logo für den Kräuterlikör "Jägermeister" bekannt ist.

Die Eintracht will im 5. Aufeinandertreffen mit den Braunschweigern in dieser Saison endlich den ersten Sieg. Trainer Ribbeck stellt dafür gegenüber der Auswärtsniederlage in Bremen auf das bewährte 4-3-3-System um, wobei er Kliemann wieder in das Abwehrzentrum beordert. Kliemann war mit seiner Rolle im Mittelfeld im letzten Spiel sichtlich überfordert. Dafür spielt heute der junge Körbel mit Kalb und dem wiedergenesenen Hölzenbein in der Mittelreihe. Bernd Hölzenbein wurde in den letzten sieben Wochen ebenso schmerzlich vermisst wie Jürgen Grabowski, der sogar eine Woche länger ausfiel. Bernd Nickel kann Erich Ribbeck zudem zumindest wieder als Ersatzspieler auf die Bank nehmen. Die drei gefährlichsten Schützen der letzten Spielzeiten - die drei Musketiere, wenn man so will – kehren also zurück.

Das Mitwirken von "Grabi" und "Holz" macht sich auch schnell bemerkbar – so flüssig lief das Kombinations- und Angriffsspiel der Gastgeber seit Wochen nicht mehr. Die Braunschweiger haben den Frankfurter in der Offensive nur wenig entgegenzusetzen. In der Defensive können sich die Gäste dagegen auf die Recken um den jungen Nationaltorhüter Bernd Franke verlassen. Gersdorff liefert als Kaack-Ersatz eine glänzende Partie, Grzyb und Libero Haebermann lassen trotz der Frankfurter Überlegenheit nur wenige Chancen zu.

Torwart Franke scheint sein Debüt in der DFB-Auswahl beim 3:0-Sieg noch mehr Selbstvertrauen gegeben habe. Dort rettete er wenige Minuten vor der Pause mit einer Glanztat die knappe deutsche Führung in die Pause. Auch heute spielt er Fehlerfrei, wobei er von den Frankfurtern vor keine besonderen Herausforderungen gestellt wird. Als Schämer in der 19. Minute mit einem Gewaltschuss das Können Frankes prüft, ist er ebenso zur Stelle, wie in der 26. Minute. Da taucht Jürgen Kalb vor dem Braunschweiger Tor auf und steht allein vor Franke, doch er bringt den Ball nicht im Netz unter. Trinklein und Weidle, die bei Kopfbällen gute Szenen haben, können Franke ebenso wenig überwinden.

Die Gäste versuchen es mit dem Rezept, das ihnen schon im DFB-Pokal im Waldstadion zu einem 2:2-Unentschieden und in die nächste Runde verholfen hat: Ballhalten und Tempodrosselung. Das ist zwar nicht allzu schön für die 8.000 Zuschauer, aber bislang erfolgreich. Gelegentlich schalten Kneflers Männer aber auch vom Trott in den Trab und kommen dann sogar zu guten Konterchancen, die allerdings weder Gerwien in der 38. noch Bründl in der 44. Minute nutzen können.

Die Braunschweiger sind aber gar nicht auf einen Sieg aus, mit einem Unentschieden wäre ihnen bereits gedient. "Meinetwegen könnte die Begegnung schon jetzt zu Ende sein", wünscht sich Otto Knefler zur Pause. Sein Kollege Erich Ribbeck ist dagegen wie so oft in den letzten Wochen unzufrieden und schimpft: "Wir mussten doch schon klar führen!"

Zur zweiten Halbzeit bringt Ribbeck den "dritten Musketier", Bernd Nickel. Für "Dr. Hammer" muss Lothar Schämer Platz machen, der einen weniger guten Tag erwischt hat und Fehlpässe in Serie spielte. Körbel geht für Schämer in die Abwehr und mit Nickel verstärkt sich sofort der Druck aus dem Frankfurter Mittelfeld Richtung Gästetor.

Konschal, der wie Gersdorff in der Vorrunde gegen die hessischen Namensvetter traf, kommt in der 57. Minute für den wirkungslosen Jensen. Der Respekt vor Konschal hält sich dennoch in überschaubaren Grenzen. Der junge Stürmer, der in zwei Tagen seinen 20. Geburtstag feiern wird, traf gegen die Frankfurter zum ersten Mal in der Bundesliga, konnte diesem Treffer jedoch lediglich ein weiteres Tor am 14. Spieltag gegen den HSV folgen lassen. Auch Konschal ist kein Knipser.

Nach einer Weile merkt man Grabowski und Hölzenbein verständlicherweise die lange Pause an – die Kraft lässt bei den beiden nach. Das Ballgefühl, das den drei Musketieren normalerweise zu Eigen ist, geht Jürgen Kalb außerdem heute ab. Nachdem er bereits in der 26. Minute die bis dahin beste Torchance nicht nutzen konnte, vergibt er auch in der 59. Minute die zweite große Chance der Frankfurter. Das Auslassen solcher Großchancen rächt sich im Fußball oft.

Drei Minuten später scheint es soweit zu sein: Grzyb jagt einen Freistoß auf Dr. Kunters Kasten, doch der kann die Kugel mit Mühe abwehren. In der 72. Minute hat Grzyb erneut die Braunschweiger Führung auf den Fuß. Grzyb nimmt Maß und diese Bombe kann selbst der erneut tadellose Dr. Kunter nicht entschärfen, doch der fliegende Zahnarzt im Frankfurter Kasten beweist, dass der Tüchtige auf sein Glück vertrauen kann: Die Bogenlampe knallt mit Getöse an die Latte des Eintracht-Tores.

Zwei Minuten später ist wieder Kalb an der Reihe, der zum dritten Mal Franke im Duell gegenüber steht. Ob es tatsächlich mangelndes Ballgefühl ist, die Erinnerung an den Nebel aus dem abgebrochenen Hinspiel noch heute die Sicht behindert oder einfach die Last der ersten beiden vergebenen Torchancen den jungen Mann verkrampfen lässt – er versiebt auch die dritte große Torchance für die Eintracht. Vier Minuten später erlöst Trainer Ribbeck den unglücklichen Kalb und nimmt ihn für Wolfgang "Schleppe" Kraus aus dem Spiel.

Für Paul Palmert von der "Bild" hat "diese Begegnung nur Regionalliga-Format. Und als Entschuldigung für dieses schwache Spiel dürfen nicht die Frühlingstemperaturen und auch nicht die schlechten Bodenverhältnisse herhalten". In der Tat - auch wenn es nicht einfach ist, auf dem trockenen Boden den Ball unter Kontrolle zu bringen, ist das keine Erklärung für mangelnden Einsatz und fehlendem Spielwitz.

Das Spiel geht dem Ende entgegen, doch so umsichtig Trinklein heute den Libero gibt, so sehr auch Weidle als Außenstürmer rackert und so oft auch der lange Vorstopper Kliemann sich in den Angriff einschaltet, die längst überfällige Führung für die Hessen will und will nicht fallen. Gerade Kliemann hat mit seinen Kopfbällen immer wieder Pech.

Als niemand mehr damit rechnet, spitzt einer der drei Musketiere, der mit seinen Kräften längst am Rande ist, noch einmal sein Florett. Sein Stich kommt so unerwartet wie er glücklich ist – doch der Streich sitzt: Bernd Hölzenbein markiert in allerletzter Minute den hochverdienten Siegtreffer für die Frankfurter, als keiner mehr damit rechnet. Nach einer Kopfballvorlage von Kliemann ist Hölzenbein aus acht Metern zur Stelle und erzielt das 1:0. Da war auch für Franke nichts zu halten.

Die Eintracht rückt durch diesen Sieg um einen Rang auf Platz 11 vor, hat aber immer noch ein Spiel weniger ausgetragen. Braunschweig fällt vom 13. auf den 15. Rang zurück und hat nur noch zwei Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Niedersachsen bei einer Niederlage von Hannover im Nachholspiel gegen die Frankfurter auf Platz 14 rutschten würden. Mehr Punkte bringt ihnen das auch nicht. Ribbecks Elf dagegen muss endlich sehen, dass sie wenigstens auf der Zielgeraden der Saison damit beginnt, auch auswärts Zählbares einzusammeln. In den nächsten sieben Tagen hat sie zweimal Gelegenheit dazu: zuerst am Mittwoch im Halbfinale des Ligapokals auf dem Bökelberg in Mönchengladbach und am Samstag im Olympiastadion bei Hertha BSC Berlin. (rs)


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