Rot-Weiß Essen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1973/1974 - 11. Spieltag

6:3 (3:2)

Termin: Di 16.10.1973, 20:00 Uhr
Zuschauer: 21.000
Schiedsrichter: Volker Roth (Salzgitter)
Tore: 1:0 Günter Fürhoff (16.), 1:1 Jürgen Grabowski (19.), 2:1 Willi Lippens (31.), 2:2 Klaus Senger (31., Eigentor), 3:2 Harry de Vlugt (45.), 4:2 Harry de Vlugt (50.), 5:2 Peter Kunter (76., Eigentor), 6:2 Willibald Weiss (78.), 6:3 Bernd Hölzenbein (90.)

 

>> Spielbericht <<

Rot-Weiß Essen Eintracht Frankfurt

  • Heinz Blasey
  • Eberhard Strauch
  • Hermann Erlhoff
  • Wolfgang Rausch
  • Klaus Senger
  • Dieter Bast
  • Gerd Wörmer
  • Willi Lippens
  • Willibald Weiss
  • Günter Fürhoff
  • Harry de Vlugt

 


 

Wechsel
Wechsel
Trainer
  • Diethelm Ferner
Trainer

 

 

Hafenstraßenblues

Drei Trainer kommen im "Kicker" zu Wort, nachdem das Sportmagazin sie zur Eintracht befragt hat. Hermann Eppenhoff, der Trainer des VfB Stuttgart, der der Eintracht in einem begeisternden Spiel unterlegen war, macht den Anfang: "Die Eintracht heute? Auf einen kurzen Nenner gebracht: Sie ist in sich gefestigter als noch vor einem Jahr, nicht mehr so zerstückelt. Mit dem Erfolg kommt die Moral, mit der Moral der Erfolg. Wenn eine Mannschaft "erst einmal Blut geleckt hat", plötzlich dort steht, wo sie niemand und sie sich vielleicht selbst nicht erwartete, tritt der Wille hinzu, sich von dort nicht mehr so schnell fortbringen zu lassen. Eigentlich war ausgerechnet das Spiel gegen unseren VfB Stuttgart das Match, das die Weichen stellte. Dass wir uns einen 3:0-Vorsprung innerhalb von wenigen Minuten noch entreißen ließen, war zunächst einmal unsere eigene Schuld, andererseits aber auch ein Beweis für die Kampfkraft, die in der Eintracht steckt und die sie ja in einigen nachfolgenden Spielen ebenso eindrucksvoll nachwies. Ja, wenn wir dieses schon gewonnene Spiel nach Hause geschaukelt hätten, stünden wir vielleicht heute dort, wo sich jetzt die Eintracht befindet. Die Eintracht Frankfurt 73 kann man indes nicht mit der Eintracht Braunschweig 66 vergleichen: Bei den Braunschweigern war der Titelgewinn damals vorprogrammiert - vor einer imponierenden Abwehr stand damals ein Angriff mit gefährlichen Spitzen, vor allem eminent schnellen Flügeln. Bei den Frankfurtern kommt dieser Höhenflug sicherlich etwas überraschender. Aber jetzt, da die Eintracht weiß, dass sie sogar Meister werden kann, werden Kräfte frei, die man vorher kaum vermutete."

Hennes Weisweiler macht dagegen keinen Hehl daraus, dass die Eintracht für ihn – trotz gewachsenen Selbstvertrauens, gewonnener Routine und den Impulsen durch den neuen Trainer - nicht zu den ernsthaften Titelanwärtern zählt: "Nach dem 1:0-Sieg über meine Borussia waren die Eintracht-Spieler dermaßen am Boden zerstört, so fix und fertig, wie das niemand sein darf, der mit der Meisterschaft liebäugelt." "So etwas hält keiner durch", sagt der Gladbacher Trainer mit Blick auf den Substanzverlust der Frankfurter. Weisweilers Spieler sehen das wohl ähnlich, denn als Bonhof und Vogts aus Glasgow zurückkehrten, wo sie den nächsten Gegner beobachtet haben, lautete ihre erste Frage: "Wie hat Bayern gespielt?"

"Diese Eintracht ist in der Tat eine Spitzenmannschaft geworden. Wenn sie diese Form hält, kann sie sogar Meister werden" schwärmte der Trainer der Bayern nach dem 2:2 gegen die Eintracht. Mittlerweile fügt Udo Lattek aber hinzu: "Die Eintracht hat gegenwärtig auch eine ausgesprochene Glückssträhne." Lattek lobt die "tolle Moral und den großartigen Kampfgeist" und führt diese Entwicklung "nicht zuletzt auf den neuen Mann Dietrich Weise" zurück, wiewohl er gleich wieder einschränkt: "Die entscheidende Bewährungsprobe für Mannschaft und Trainer kommt dann, wenn sich die ersten Rückschläge einstellen." Für einen Vorteil hält Lattek die Tatsache, dass die Eintracht keinen Torjäger, dafür aber viele gefährliche Torschützen besitzt: "Die Mannschaft ist dadurch viel schwerer auszurechnen als eine, deren Erfolge mehr von der Form und dem Glück seines Torjägers abhängen." Nach seinen Bayern würde Lattek der Eintracht den Titel gönnen, und das hat seinen Grund: "Dietrich Weise gehört zu jenen Trainern, zu denen auch ich mich zähle, die beweisen wollen, dass man mit sachlicher, fachlicher Arbeit mehr erreichen kann als mit Schaumschlägerei und großen Sprüchen."

"Bei Weise spürt man keine Stimmungen", beschreibt Torhüter Dr. Kunter seinen Trainer: "Keine überschäumenden, wenn wir 6:0 gewännen. Keine erregten, wenn wir 0:6 verlören. Er lässt uns und sich erst eine Nacht über ein Spiel schlafen, ehe er sagt, was zu sagen ist." "Weise ist kein Wundertrainer", schreibt schließlich Wolfgang Rothenburger im Kicker": "Er kann aus Grabowski keinen ungestümen Goalgetter, aus Kliemann keinen Ballvirtuosen machen. Aber er macht das Beste aus ihnen. Er kitzelte ihren lang schlummernden Ehrgeiz wach. Energien, die längst entschwunden schienen. Die Eintracht von heute ist zu einem Trapezkünstler geworden. bei dessen Attraktionen den Zuschauern der Atem stockt — und manchmal die Augen schließen möchte. Schafft er es, schafft er es nicht?"

Die Aufholjagden der Eintracht in dieser Saison sind beeindruckend, die gegen den VfB wird zur Legende werden. Es scheint fast, als benötige die Eintracht einen Rückstand, um das Beste aus sich heraus zu holen. "Diese Kraftakte der zweiten Halbzeit gehen doch in die Knochen", gibt Dieter Lindner, der Meisterspieler des Jahres 1959, bei aller Begeisterung zu bedenken und Trainer Weise erinnert sich. "Wenn ich an das Fortuna-Köln-Spiel denke: Ich habe meiner Mannschaft gesagt: Legt gleich richtig los, dann habt ihr es nachher leichter. Warum es bei uns erst geht, wenn fast nichts mehr geht, weiß ich auch noch nicht."

Nach den nächsten drei Spielen, die die Eintracht innerhalb von nur acht Tagen bestreiten muss, wird man mehr wissen. Essen, Berlin und Offenbach heißen die Prüfsteine. Zum ersten fahren die Hessen an diesem Dienstagabend nach Essen mit breiter Brust: Nach zehn Spieltagen und neun gespielten Partien ist die Frankfurter Eintracht Tabellenführer und hat noch kein Spiel verloren. Weder der Pokalsieger noch der amtierende Meister vermochten es der Eintracht in dieser Saison ihre erste Niederlage beizubringen.

Rot-Weiss Essen, das an den ersten sechs Spieltagen auswärts zwar zwei Zähler ergattern konnte, doch zu Hause an der Hafenstrasse die ersten drei Heimspiele verlor, ist wohl kaum die Elf, die den famos in die Spielzeit gestarteten Frankfurtern Angst und Schrecken einjagen kann. Immerhin: Die letzten beiden Heimspiele konnten die Essener für sich entscheiden. Der erste Heimspielsieg rettete Trainer Horst Witzler, der RWE gerade aus der Regionalliga zurück in die Bundesliga geführt hatte, noch den Arbeitsplatz. Nach der Niederlage in Schalke und dem erneuten Abrutschen auf den letzten Tabellenplatz musste der Trainer dann aber kurz vor dem Spiel gegen Bremen Diethelm Ferner Platz machen. Ferner startete mit einem Sieg und auch auswärts in Hannover holten die Essener beide Punkte. So führte der ehemalige Bundesligaspieler, der sechs Jahre für Werder Bremen und zwei Jahre für Essen in der ersten Liga am Ball war, die Rot-Weissen vom 18. auf den 15. Platz.

Dietrich Weise ist also gewarnt. Diethelm Ferner, der bis zum 8. Spieltag selbst noch Spieler war, ist zwar mit 32 Jahren der jüngste Bundesligatrainer und besitzt zurzeit nur den "A-Schein": "Ich hoffe, Anfang 1974 die Trainerlizenz erwerben zu können." Unterschätzen wird ihn der Coach der Eintracht aber deswegen sicher nicht. Die Elf von Ferner ist in einer anderen Verfassung als die Truppe, die Weise bei der letzten Heimniederlage vor fast sieben Wochen beobachtete. Damals befand der Eintracht-Trainer unter der Zustimmung der Experten: "Ich wüsste nicht, was Essen vor dem Abstieg retten kann. Da ist aber auch gar kein Ansatz zu sehen, der einen Vergleich mit den Konkurrenten zulässt."

Weise nimmt im Vergleich zum Heimspiel gegen Fortuna Köln zwei Änderungen vor: Kalb ersetzt den Neuzugang Andree und für Parits kommt Thomas Rohrbach in die Mannschaft. Somit will folgende Formation in Essen für den zweiten Auswärtssieg sorgen: Dr. Kunter im Tor, in der Abwehr mit Vorstopper Kliemann, Libero Trinklein, den beiden Außenverteidigern Kalb und Reichel, im Mittelfeld mit Hölzenbein, Körbel, Grabowski und im Sturm mit Weidle, Rohrbach und Nickel im Zentrum.

Der Platz im Georg-Melches-Stadion sieht übrigens aus, als wäre der Hafen an der Hafenstraße übergelaufen. Stundenlanger Regen hat den Platz so unter Wasser gesetzt, dass Frankfurts Torhüter Kunter bereits vor dem Spiel eine böse Vorahnung packt: "Auf diesem Boden kann man sich als Torhüter nicht abdrücken. Ein schlechter Tag für Torleute." Erschwert wird die Aufgabe für die Schlussleute an diesem Abend zudem durch das Flutlicht, das seinen Namen kaum verdient. Ob die Rot-Weissen Strom sparen müssen oder den Stadtwerken Essen, die ebenfalls an der Hafenstraße liegen, der Dauerregen auf die Leitungen geschlagen ist? Die Lichtverhältnisse passen auf jeden Fall eher zu einem Schatten- als zu einem professionellen Fußballspiel.

Die Gastgeber zeigen sich weder von Licht noch Wasser sonderlich beeindruckt und stürzen sich mit Spielbeginn mit einer Vehemenz auf ihre Gegner, die den Frankfurtern klarmachen sollte, dass am heutigen Abend schön spielen allein nicht reichen wird. Es gelingt der Eintracht jedoch zunächst trotz des glitschigen Untergrundes, ihre spieltechnische Überlegenheit auszuspielen und einige Male gefährlich vor dem Tor der Hausherren aufzutauchen.


Fürhoff zum 1:0

Für den oberflächlichen Beobachter fällt daher der Führungstreffer für Essen vielleicht etwas überraschend, doch tatsächlich hatten die Rot-Weissen bereits vorher angedeutet, wie schnell sie ihr Angriffsspiel aufziehen können. Harry de Vlugt, der vor einem Jahr zu den Essenern stieß, ist in der 16. Minute auf Rechtsaußen in Ballbesitz, sieht den heranstürmenden Fürhoff und legt ihm mustergültig auf. Fürhoffs strammer Schuss aus vollem Lauf lässt Dr. Kunter ohne Abwehrchance.

Die Antwort der Eintracht lässt indes nicht lange auf sich warten. Nur drei Minuten später beweist Jürgen Grabowski, dass er von seiner guten Länderspielform nicht eingebüßt hat. Offensichtlich hat er sich im Kreis der Nationalmannschaft vom "Bomber der Nation" inspirieren lassen: In bester Müller-Manier nimmt er den Ball im Strafraum mit dem Rücken zum Tor an und erzielt aus halbrechter Position den verdienten Ausgleich. 19. Spielminute - so früh haben die Frankfurter in dieser Saison in der Liga noch nicht getroffen.


Der Ausgleich durch Grabowski

Das Frankfurter Kurzpassspiel läuft in der Folge wie am Schnürchen. Die Essener kommen trotz großen Einsatzes kaum dazu, die Frankfurter Kombinationen zu unterbinden, während Rohrbach und Grabowski bei ihren Attacken oft nur von drei oder gar vier Rot-Weissen vom Ball zu trennen sind. Mitten in diese Drangperiode der Gäste hinein schlägt Harry de Vlugt in der 31. Minute erneut als Vorbereiter zu. Der Holländer, der aus Indonesien stammt, bedient Willi Lippens im 16er so genau, dass die "Ente" keine Probleme hat, unhaltbar einzuschießen. Bei der Flanke von de Vlugt macht Dr. Kunter im Frankfurter Tor allerdings keine gute Figur – er verpasst sie.

Die zweite Führung der Essener ist jedoch von noch kürzerer Dauer als die erste. Noch in derselben Minute erläuft sich der schnelle Thommy Rohrbach bei seiner bisher besten Aktion einen langen Ball von Weidle kurz vor der Torauslinie und zieht das Leder nach innen. Dort steht der Verteidiger Senger unbedrängt von einem Spieler der Eintracht und hämmert den Ball an seinem verdutzten Torwart Blasey zum erneuten Ausgleich ins eigene Netz. Ob sich Senger im Tor geirrt hat? So schlecht sind die Lichtverhältnisse an der Hafenstraße allerdings auch wieder nicht.

Strahlend ist unterdessen wieder einmal die Darbietung des Frankfurter Kapitäns Jürgen Grabowski, der die Essener Hintermannschaft ein ums andere Mal hinters Licht führt. Natürlich ist es auch Grabowskis Schuss, der das Gehäuse der Gastgeber nur denkbar knapp verfehlt. Die Eintracht spielt überlegen und erzielt eine Reihe von Ecken, jedoch kein weiteres Tor. Das gelingt zum ungünstigsten Zeitpunkt – kurz vor dem Pausenpfiff – dem bisher effektivsten Essener Harry de Vlugt. Bei seinem herrlichen Kopfball verharrt Dr. Kunter regungslos auf der Linie.


De Vlugt jubelt - Kunter ist geschlagen

 

Nach der Halbzeitpause kommen die Frankfurter mit neuem Elan aus der Kabine und starten Angriff auf Angriff auf das Essener Tor. Außenverteidiger Peter Reichel und Bernd Hölzenbein bieten sich Möglichkeiten zum dritten Mal auszugleichen, aber sie scheitern. Gescheitert ist in der 50. Minute auch Harry de Vlugt, den sein Gegenspieler Kalb einfach nicht in den Griff bekommt, mit einem hoch angesetzten Kopfball, den Dr. Kunter abfängt. Doch da gleitet dem Frankfurter Keeper das nasse Leder aus den Händen und de Vlugt kann im Nachsetzen den Ball über die Linie drücken. 4:2 für Rot-Weiss.

Der Zwei-Tore-Rückstand sollte die Eintracht nicht entmutigen, immerhin haben sie erst am letzten Spieltag gegen den anderen Aufsteiger aus Köln ein 0:2 nach 62 Minuten noch in einen 4:2-Sieg verwandelt und am 4. Spieltag gegen Stuttgart sogar aus einem 0:3 nach 66 Minuten noch ein 4:3 gemacht. Wie nicht anders zu erwarten krempeln die Frankfurter die Ärmel nun noch ein Stück weiter nach oben und setzen zu weiteren Sturmläufen an. Anders als gegen Köln und Stuttgart stellt sich diesmal aber nicht sofort der gewünschte Erfolg ein. Trainer Weise spürt, dass seine Elf nun Unterstützung braucht, und wechselt in der 57. Minute für Weidle den in dieser Saison so glücklosen Parits ein. Wenige Minuten später bringt er mit Krauth für Körbel einen weiteren Stürmer, doch belohnt wird sein Mut ebenso wenig wie das Engagement seiner Mannschaft.

Die Eintrachtspieler merken, dass sie heute vergebens an- und einem Rückstand hinterrennen. Auf dem Frankfurter Sturmlauf folgt Katzenjammer, selbst ein Fußball-Rocker wie Thommy Rohrbach lässt den Kopf hängen und ergibt sich dem Hafenstraßenblues, der die Hessen nun im Griff hat. Die heißen Rhythmen werden ab jetzt nur noch von den Gastgebern gespielt, die sich unter den Anfeuerungsrufen der 21.000 beigeisterten Zuschauer in einen rauschähnlichen Zustand spielen und die demoralisierten Hessen überrennen. Mehrfach entgeht die Eintracht nur knapp dem fünften Gegentor: Ein Kopfball von Weiss streicht über das Tor, Reichel unterläuft beinahe ein Eigentor und ein prächtiger Schuss von Fürhoff verfehlt nur knapp den Kasten von Dr. Kunter.

In der 76. Minute ist es dann aber so weit: Dr. Kunter boxt sich Fürhoffs abgefälschten Ball ins eigene Netz und muss die Kugel zum fünften Mal aus seinem Kasten holen. Zwei Minuten später ist das Maß und das halbe Dutzend voll: Willibald Weiss – seit dem Trainerwechsel in bestechender Form - zieht ab, der Ball wird abgefälscht und Dr. Kunter ist zum sechsten Mal geschlagen.

Die Messe in Essen ist zu diesem Zeitpunkt längst gesungen, doch zwei Frankfurter versuchen dem Hafenstraßenblues wenigstens mit zwei Paukenschlägen noch eine andere, erträglichere Note zu geben. Grabowski setzt seinen Paukenschlag leider an den Pfosten, doch Bernd Hölzenbein gelingt in der letzten Spielminute doch noch der dritte Treffer für die Eintracht, bevor Schiedsrichter Roth mit seinem Pfiff das Spiel und für die Hessen die Klänge in Moll endlich beendet.

Eintracht-Präsident Achaz von Thümen sieht das Positive in der Niederlage: "Nun ist die Belastung endlich weg, noch ungeschlagen zu sein." Trainer Weise, der seit Wochen darauf hingewiesen hat, dass sein Team noch keine Spitzenmannschaft sei, richtet den Blick bereits in die Zukunft: "Nun wird sich zeigen, wie die Mannschaft das verkraftet und ob sie eine echte Mannschaft ist. Jetzt kommt es darauf an, dass wir uns wieder fangen. Dass die erste Niederlage einmal kommen musste, war klar. Wir müssen sie nur gut verdauen. Samstag gegen Hertha BSC müssen wir wieder gewinnen, wenn wir nicht aus der Spitzengruppe herausfallen wollen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das der Fall sein wird."

Essen erfolgreicher Trainer Ferner ist dagegen nach dem klaren Sieg seiner Elf unerwartet mitgenommen: "Ich kann jetzt nichts sagen." Sein Gegenüber Weise reagiert auf die herbe Niederlage wie gewohnt sportlich fair: "Ein großartiger Kampf und ein verdienter Sieg der Essener." Verdutzt reagiert der Essener Coach auf Weises Auforderung "Prost, Herr Ferner!" Das Cognac-Glas, das Weise dabei in die Höhe hält, überrascht den jungen Fußballlehrer sichtlich: "Aber ich bin doch gar kein Cognac-Trinker." Die Antwort von Dietrich Weise macht seinem Familiennamen alle Ehre: "Wenn Sie weiterhin solchen Erfolg haben, werden Sie noch Dinge tun müssen, die Sie sonst nicht tun würden."

Als Grund für die erste Saisonniederlage seiner Mannschaft führt Weise natürlich die schlechten Platz- und Lichtverhältnisse an, schränkt jedoch gleichzeitig ein: "Natürlich ist auch Essen dadurch benachteiligt gewesen." Entschieden wurde das Spiel für Weise im Mittelfeld, das Essen schneller zu überbrücken verstand als seine Elf, und durch den leidenschaftlichen Einsatz der Gastgeber: "Wir wurden regelrecht niedergekämpft."

Exakt diese Worte wählt auch Jürgen Grabowski, der lediglich den Satz voranstellt: "Diese Essener waren einfach zu stark." RWE habe großartig gespielt, aber die Eintracht auf dem rutschigen, tiefen Boden auch viel Pech gehabt: "Wenn ich nur an die zwei abgefälschten Schüsse zum 5:2 und 6:2 denke ..."

Aufrichten muss Trainer Weise seinen niedergeschlagenen Torhüter, der die Befürchtungen, die er vor dem Spiel äußerte, auf schlimme Weise bestätigt sehen muss. Überraschenderweise führt er dies jedoch nicht als Entschuldigung an: "Ich habe keine Erklärung für mein totales Versagen. Selbst wenn man die schlechten Platz- und Lichtverhältnisse berücksichtigt. Lauter Fehler in Situationen, die ich im Training und in vielen hundert Spielen gemeistert habe." Trainer Weise lässt Dr. Kunter wegen einer schlechten Partie natürlich nicht fallen: "Er allein hat uns schon so viele Punkte gewonnen, da kann ich den Stab nicht über ihn brechen."

Letztendlich hat Weise in seiner Einschätzung des Gegners vor dem Spiel auch ähnlich falsch gelegen wie sein Torwart bei manchem Ball im Spiel: "Ich habe Rot-Weiss am 1. September auf eigenem Platz 1:4 gegen Fortuna Düsseldorf verlieren sehen. Das kann einfach nicht die gleiche Mannschaft gewesen sein, die uns jetzt so böse vorgeführt hat." Es war jedoch tatsächlich die gleiche Mannschaft, der dieser Kantersieg zu einem Sprung auf Platz 10 verhilft, während die Eintracht die Tabellenführung einbüßt und nun auf Rang 2 steht. In vier Tagen im Heimspiel gegen die Hertha aus Berlin gilt es für die Frankfurter, den verlorenen Boden wieder gutzumachen. Das sieht auch Libero Gert Trinklein so: "Das müssen jetzt die Berliner büßen." (rs)


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