KSV Hessen Kassel - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1973/1974 - Achtelfinale

2:3 (0:1)

Termin: 15.12.1973
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Wilfried Haselberger (Reutlingen)
Tore: 0:1 Bernd Hölzenbein (43.), 1:1 Ernst Martin (46.), 1:2 Thomas Parits (60.), 2:2 Ernst Martin (86.), 2:3 Thomas Parits (91.)

 

>> Spielbericht <<

Hessen Kassel Eintracht Frankfurt

  • Andreas Burose
  • Otto Kastl
  • Alfred Resenberg
  • Friedel Mensink
  • Werner Novak
  • Uwe Habedank
  • Klaus Weiland
  • Peter Rabeneck
  • Wolfgang Hansmann
  • Ernst Martin
  • Hubert Schöll

 


 

Wechsel
  • Werner Jaschik für Uwe Habedank (67.)
  • Jürgen Ey für Werner Novak (79.)
Wechsel
Trainer
  • Heinz Baas
Trainer

 

Jedes Resultat möglich

Wenn der Eintracht in dieser Saison ein Vorwurf zu machen wäre, dann am ehesten der, dass die Mannschaft zu viele Chancen braucht, um Tore zu erzielen. Dieses Manko könnte ein echter Torjäger beheben, doch die finanziellen Möglichkeiten der Frankfurter sind bekanntlich begrenzt. So durfte sich beim Spiel der durch den erstmals nach seiner Verletzung wieder eingesetzten Dr. Kunter sowie durch Jürgen Kalb verstärkten Amateurmannschaft der Eintracht gegen die DFB-Jugend der dänische Junioren-Nationalspieler Benny Nielsen als Gastspieler versuchen. Die Partie im Stadion am Riederwald endetet 0:0 und Trainer Weise hält sich über die mögliche Neuverpflichtung in der Öffentlichkeit bedeckt: "Ich sage noch nichts über den Dänen." Der 17-jährige Jugend-Auswahlspieler Bernd Förster von Chio Waldhof ist weniger schweigsam, was die Qualitäten von Nielsen betrifft: "Ich hatte den strikten Auftrag, die Nr. 9 hautnah zu decken. Sicher, weil er ein Neuer der Eintracht war. Der Bursche war schnell und konnte ganz schön schießen. Ich musste mich sputen." Bei allem sportlichen Respekt Försters für seinen Gegenspieler: Ob der Angreifer des belgischen Clubs Cercle Brügge tatsächlich eine Verstärkung für die Eintracht sein könnte, ist nach diesem Spiel kaum seriös zu beurteilen.

Respekt hat übrigens auch die Eintracht vor ihrem Gegner im Achtelfinale des DFB-Pokals. "Die haben uns schon mal mit 6:2 aus dem Pokal geworfen. Unterschätzen kommt nicht in Frage", wird Trainer Weise zitiert, wobei das erwähnte 2:6-Debakel allerdings mit den beiden aktuellen Mannschaften nur wenig zu tun hat, denn es datiert vom Silvestertag des Jahres 1967. "So dumm, so arrogant habe ich meine Abwehr noch nie spielen sehen", fluchte Frankfurts Trainer damaliger Elek Schwartz nach dem Ausscheiden in der Qualifikation zum DFB-Pokal: "Mein Gott, ich darf nicht daran denken, was da für Böcke geschossen wurden."

Lässig hatten Huberts und Solz eine 2:0-Führung vorgelegt, die nach der Pause durch drei Doppelschläge der KSV-Spieler Bernd Schmidt, Hans Alt und Horst Schaub eliminiert wurde. "Ihr Sieg ist verdient, wenn auch zu hoch", sagte Schwartz, der seine Spieler wegen der gerade absolvierten Auslandsreise in Schutz nahm: "Irgend etwas bleibt bei einer solchen Reise bis nach Hongkong und bei vier Spielen in acht Tagen und dem nachfolgenden Pokalspiel doch hängen. "Keine Standpauke und kein Strafgericht" gab es deswegen vom umsichtigen Trainer: "Wir trainieren normal. Was sollte ich sonst auch machen? Ich kann die Spieler ja nicht auspeitschen …" "Man muss an die menschlichen Qualitäten glauben", mahnte der Fußballlehrer: "Die Eintracht steckt in keiner Krise. Wir sind in Kassel nur mal ausgerutscht." Seine Frau konnte das nicht besänftigen: "Ich gehe nie mehr zu Spielen der Eintracht. Zweimal war ich dabei und zweimal verloren sie. Ich eigne mich wirklich nicht als Maskottchen."

Dem KSV bescherte der Sieg in der nächsten Runde mit Werder Bremen einen weiteren Bundesligisten, der die Nordhessen im Wiederholungsspiel im eigenen Stadion und erst nach Verlängerung mit 2:1 bezwingen konnte. Mehr als die Niederlage schmerzte den Regionalligisten jedoch, das in der folgenden Saison Bernd Schmidt und Horst Schaub für Werder aufliefen, wobei sich aber nur Schmidt an der Weser etablieren konnte.

Die Rahmenbedingungen sind das Problem der "Löwen" – damals wie heute. Coach Heinz Baas, der Kassel erst seit dem 13. November wieder trainiert, wird den Klub zum Saisonende deswegen auch verlassen: "Hier wird zu amateurhaft gearbeitet." Kassels Kapitän Habedank ist aber für das Pokalduell zuversichtlich: "Wir sind mit Trainer Baas im Aufwärtstrend und werden ein gutes Spiel liefern." Habedank ist der einzige Spieler, der schon bei der Begegnung im Jahr 1967 dabei war. Sein Frankfurter Pendant Grabowski fehlte aufseiten der Eintracht seinerzeit wegen einer langwierigen Verletzung. Dr. Kunter, der beim 2:6 das Tor hütete, hat aktuell seinen Stammplatz wegen einer Fingerverletzung verloren.


Helmut Müller

Außerdem fehlt bei der Eintracht Libero Gert Trinklein: Er wurde am 8. Dezember in Düsseldorf von Schiedsrichter Meuser nach einem Foul an Zewe vom Platz gestellt. Für Trinklein spielt Andree Vorstopper, Kliemann übernimmt dafür Trinkleins Liberopart. Außerdem ersetzt Weise auf der Außenverteidigerposition Kalb durch den Amateur Helmut Müller, der so zu seinem ersten Pflichtspiel bei den Profis kommt.

Die Abwehr der Eintracht steht auch recht sicher, nur nach vorne will vor 18.000 Zuschauern im Kasseler Aue-Stadion nichts Zählbares gelingen. Es ist auf dem schneebedeckten Boden nicht ganz leicht, vernünftig zu kombinieren und geplante Angriffszüge in die Tat umzusetzen. Der Drittletzte der Regionalliga Süd zeigt eine geschlossene Leistung und großen Einsatz. Der KSV macht sich die schwierigen Bodenverhältnisse zunutze und zwingt die Eintracht durch beeindruckenden Kampfgeist ein Spiel auf, das dem Regionalligisten mehr liegt als dem Bundesligisten.

Als Hölzenbein zwei Minuten vor der Halbzeit per Kopf dann doch das erlösende Führungstor gelingt, glaubt man den Bann und auch den Widerstand des Gegners gebrochen, doch der denkt gar nicht daran. Mit unverändertem Mut kommen die "Löwen" aus der Halbzeitpause und erreichen durch Ernst Martin kurz nach Wiederanpfiff den Ausgleich.


Novak gegen Grabowski

Fast eine Stunde halten die Amateure mit. Die Kondition des abstiegsgefährdeten Regionalligisten ist erstaunlich. Als der in dieser Spielzeit nicht besonders ins Rollen gekommene Parits für die Eintracht trifft, atmen die Frankfurter aber hörbar auf. Jetzt müsste die Partie doch entschieden sein. Die Abwehr scheint gewappnet, Uwe Kliemann glänzt trotz der Gelben Karte, die ihm der Schiedsrichter unter die Nase gehalten hat. Im Mittelfeld räumt Körbel gewohnt zuverlässig ab und in der Offensive ist Kapitän Grabowski in bestechender Form. Seine Gegenspieler wie Kassels Novak attackieren ihn allerdings mit allen, also auch unfairen Mitteln. Als der Kapitän der Eintracht sich ein einziges Mal dazu hinreißen lässt, eine solche Attacke mit gleicher Münze zu vergelten, ist das für das nordhessische Publikum Anlass genug, den Nationalspieler auszupfeifen. Für Grabowski ist das nichts Neues, in Offenbach ist es ihm vor knapp acht Wochen ähnlich ergangen.

Es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Trainer Baas hat in der 67. Minute Werner Jaschik für Uwe Habedank und 11 Minuten vor dem Ende Jürgen Ey für Werner Novak gebracht, doch Zählbares ist nicht herausgesprungen. Rainer Künkel wäre anstelle von Ey eine Option gewesen, doch Künkel musste im vorangegangenen Pokalspiel gegen HSV Barmbek-Uhlenhorst 22 Minuten nach seiner Auswechslung wieder vom Platz. Die Eintracht sieht sich schon eine Runde weiter, da wird der Sturmlauf der Nordhessen doch noch belohnt: Ernst Martin trifft in der 86. Minute zum zweiten Mal.

Die Zuschauer richten sich auf eine wegen des Wetters ungemütliche Verlängerung ein, aber die Amateure wollen mehr, sie wollen die Entscheidung. Spielerisch jedoch kann der KSV mit der Eintracht nicht mithalten und Fehlpässe sind eine nur zu willkommene Einladung dem Tor von Andreas Burose einen weiteren Besuch abzustatten. Solch einen Besuch nutzt Parits in der Nachspielzeit und erzielt das 3:2 für die Gäste aus Frankfurt. Knapper geht es kaum.

Es ist nach diesem Spielverlauf keine Überraschung, dass Trainer Bass die erste Niederlage in seiner Amtszeit nicht für geeignet hält, um seiner Mannschaft einen Vorwurf zu machen: "Ich bin trotzdem mit meinen Schützlingen zufrieden." Auch Eintracht-Trainer Weise ist froh, "denn auf diesem Boden ist jedes Resultat möglich." Kaum für möglich gehalten, wurde dagegen vor Saisonbeginn das Ausmaß der sportlichen Leistungssteigerung der Eintracht unter dem Nachfolger Erich Ribbecks. Dietrich Weise hat die Eintracht innerhalb weniger Monate in die Spitzengruppe des deutschen Fußballs geführt.

Einen Wermutstropfen hält das Sportgericht des DFB jedoch wenige Tage vor Weihnachten für die Frankfurter bereit: Gert Trinklein wird in den ersten beiden Bundesligaspielen des neuen Jahres - am 5. Januar gegen den 1. FC Köln und am 12. Januar beim MSV Duisburg – fehlen. Er wurde für insgesamt drei Pflichtspiele gesperrt. (rs)

 

 

>> Spieldaten <<

 

 

 

© text, artwork & code by fg