Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern

Bundesliga 1973/1974 - 20. Spieltag

3:1 (2:0)

Termin: Sa 19.01.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Paul Kindervater (Köln)
Tore: 1:0 Uwe Kliemann (2.), 2:0 Thomas Rohrbach (13.), 3:0 Thomas Rohrbach (63.), 3:1 Klaus Toppmöller (85.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Kaiserslautern

 


  • Josef Stabel
  • Lothar Huber
  • Ernst Diehl
  • Dietmar Schwager (17.)
  • Peter Schwarz
  • Josef Pirrung
  • Klaus Toppmöller
  • Roland Sandberg
  • Hermann Bitz
  • Klaus Ackermann
  • Benno Magnusson

 

Wechsel Wechsel
  • Reinhard Meier für Lothar Huber (54.)
Trainer Trainer

 

Rohrbachs "Rache"


Heese am Krankenbett Nickels

Es ist eine freundschaftliche Geste des ehemaligen Eintrachtspielers Horst Heese: Er besucht im Sportmedizinischen Leistungszentrum des ebenfalls einst in Frankfurt tätigen Professor Dr. Schoberth in Damp an der Ostsee den lange verletzten Bernd Nickel. "Es war ein nettes Plauderstündchen", berichtet Heese, der seit Dezember 1972 beim Hamburger SV spielt: "Es freut mich für Bernd, dass die Genesung nach der Fußoperation offensichtlich gut vorangeht."

Ein Wiedersehen gibt es derweil auch in Frankfurt. Die in der Rückrunde ungeschlagene Eintracht begrüßt ihren ehemaligen Trainer Erich Ribbeck, der mit Kaiserslautern zu Gast im Waldstadion ist. Kaiserslautern, das auf eine Revanche für die 1:4-Schlappe aus der Vorrunde brennt, ist wiederum das ehemalige Team von Eintrachttrainer Weise. Eine reizvolle Begegnung. Erich Ribbeck - bei seinem Amtsantritt am Riederwald mit 31 Jahren der jüngste Bundesligatrainer - hatte seine fünf Jahre währende Tätigkeit am Riederwald mit drei achten, einem fünften und einem fünfzehnten Platz abgeschlossen, ohne mit der Elf um Grabowski, Hölzenbein und Nickel einen Titel geholt zu haben. Dietrich Weise beendete dagegen auf Anhieb die seit zwei Spielzeiten anhaltende Auswärtsschwäche der Frankfurter, steht mit seiner Elf im DFB-Pokalviertelfinale und in der Liga an der Tabellenspitze. Dabei wurde das Team gegenüber der Vorsaison lediglich mit dem Ex-Dortmunder Andree verstärkt, der aktuell verletzt ist und seinen Platz an den jungen Amateur Helmut Müller verloren hat.

Die Verletzung des zuvor für drei Pflichtspiele gesperrten Trinkleins beim Berliner Hallenturnier verhindert die Rückkehr des Liberos. Weise beginnt deshalb mit folgender Elf: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Vorstopper Körbel, Libero Kliemann, die beiden Außenverteidiger Müller und Reichel, im Mittelfeld Hölzenbein, Weidle, Kalb und im Sturm Rohrbach, Grabowski und Parits im Zentrum. Die Zuschauer auf der Haupttribüne, die gerne auf den letzten Drücker ihren Sitzplatz einnehmen, haben vermutlich noch keine Gelegenheit gehabt, es sich ein wenig gemütlich zu machen, als sie schon wieder aufgefordert sind, sich von ihren Plätzen zu erheben: Der Kaiserslauterer Schwager foult in der 2. Minute am rechten Strafraumeck Reichel, der nach einem Musterpass von Kliemann zu enteilen drohte. Den folgenden Freistoß spielt Grabowski zu dem links von ihm wartenden Kliemann, der den Ball noch drei Meter nach links mitnimmt, so die Mauer umgeht und den Ball hoch in den Kasten der Gäste jagt. Wie schon in Duisburg ist das 1:0 ein Produkt des Freistoßduos Kliemann/Grabowski. Es zahlt sich aus, dass Trainer Weise im Training diese Varianten stundenlang einüben lässt.


Kliemann trifft zum 1:0

Die Revanchegelüste der Pfälzer erfahren also bereits zu Beginn einen herben Dämpfer und es kommt für die Gäste nur kurze Zeit später noch schlimmer: 11 Minuten nach der frühen Führung erkämpft sich Frankfurts Hölzenbein im Mittelfeld den Ball und schickt Rohrbach steil. Der Linksaußen löst sich von Huber, trickst Schwager aus, versetzt Torwart Stabel und schlenzt den Ball ins Tor. Ein sehenswerter Treffer. Das Tor des heute wie entfesselt aufspielenden Rohrbach ist vielleicht auch eine Botschaft des schnellen Stürmers an seinen ehemaligen Trainer Erich Ribbeck, der den "Beatle" zeitweilig als Außenverteidiger verwendete. Wer Rohrbach heute die gegnerischen Abwehrreihen durcheinanderwirbeln sieht, kann sich nur schwerlich vorstellen, dass der quirlige Dribbler etwas anderes als einen Platz im Sturm einnehmen könnte.

Nur vier Minuten nach dem 2:0 ist die Partie endgültig entschieden. Schwagers ganzer Frust über den frühen Rückstand entlädt sich in einem Foul an Hölzenbein. In der Mitte der Lauterer Hälfte ist der Frankfurter mit dem Ball an Schwager vorbei gezogen, als der Lauterer Libero zutritt. Der Ball ist weg, aber Hölzenbein noch da, so dass Schiedsrichter Kindervater keine andere Wahl bleibt, als das rote Teufelchen zum Abkühlen vorzeitig zum Duschen zu schicken.

Die Eintracht kann es sich nach dem 2:0 leisten, einen Gang herunter zu schalten und die Führung zu verwalten. Die Gäste sind zwar mit dem schnellen Sandberg und dem talentierten Magnusson auch in Unterzahl durchaus nicht ungefährlich, aber zwingend ist das nicht und Zählbares springt schon gar nicht dabei heraus. Dafür ist der junge Amateur Helmut Müller gegen Magnusson zu aufmerksam und hartnäckig sowie Kliemann als Abwehrchef zu souverän. Die vereinzelten Leichtfertigkeiten in der Abwehr bügelt der resolute Berliner allesamt aus. Torwart Wienhold muss allerdings zwei Mal Pirrung und Ackermann den Ball in letzter Sekunde vom Fuß stehlen und auch einen Schuss von Sandberg meistern. Trotz dieser Momente wirken die Frankfurter in jeder Phase reifer, außerdem spielen sich bei den Gastgebern in dieser Partie Akteure in den Mittelpunkt, die sonst eher mehr oder weniger schmückendes Beiwerk darstellen. Neben dem famosen Rohrbach stellt beispielsweise Kalb im Mittelfeld Hölzenbein und Weidle in den Schatten.


Ackermann und Stabel sichern
den Ball, Grabowski bleibt
die Zuschauerrolle

"Wir spielten in den ersten 20 Minuten gut. Dann weniger druckvoll. Doch das stört mich nicht so. Es ist für den Kräftehaushalt besser so", meint Trainer Weise zur Halbzeit. "Nach dem 2:0 und dem Platzverweis bin selbst ich kein Optimist mehr", erklärt sein Kollege Ribbeck. Der des Feldes verwiesene Schwager glaubt, dass er für vorausgegangene Fouls beider Seiten büßen musste. "Das war nicht gerechtfertigt, dass mich Herr Kindervater vom Platz stellte", beschwert sich Schwager: "Ich wollte den Ball treffen. Pech, dass er schon weg war. Es war mein erster Platzverweis überhaupt." "Klarer Fall, dieser Platzverweis", kommentiert Hölzenbein nur knapp.

Bei Hölzenbein merkt man übrigens in den letzten beiden Spielen doch, dass er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Für die biederen Pfälzer ist jedoch selbst Hölzenbein mit halber Kraft eine Nummer zu groß. Apropos eine Nummer zu groß: Nach der Halbzeit bemerkt dann auch Ribbeck, dass sein Außenverteidiger Huber Rohrbach nicht gewachsen ist und erlöst den Unglücklichen in der 54. Minute. Ribbecks Wahl fällt auf Meier, der Huber ersetzen muss. Eine gute Wahl Ribbecks – wenn man es aus der Sicht seines Ex-Vereins beurteilt: Neun Minuten später trifft Rohrbach zum 3:0. Nach einem Pass von Kalb und einem Spurt über 40 Meter schlägt das Leder unter Bitz und Torwart Stabel hindurch im langen Eck ein.

Rohrbach, der sonst gerne überhastet seine Chancen vergibt, bewahrt heute trotz rasanter Flankenläufe und schneller Dribblings im entscheidenden Moment einen kühlen Kopf. Pech hat der wuselige Stürmer, dass ihm das dritte Tor verwehrt bleibt. Mit einem Kopfball über Stabel hinweg hat er den Lauterer Keeper schon bezwungen, als Bitz im buchstäblich letzten Moment den Ball auf der Linie noch am Weiterflug ins Tor hindern kann. Rohrbachs "Rache" an seinem ehemaligen Trainer ist jedoch auch so geglückt.

Leider ist Rohrbach der einzige Frankfurter, der seine Möglichkeiten so konsequent zu nutzen versteht. Wenn man den haushoch überlegenen Hausherren etwas ankreiden will, dann ist es der fahrlässige Umgang mit einer Vielzahl von Tormöglichkeiten allerbester Güte. Selbst der ansonsten wieder einmal unersetzliche Jürgen Grabowski, der das Frankfurter Spiel macht und bestimmt, bleibt davon nicht verschont. Wie leicht könnte der Kapitän in dieser Partie sein Torkonto deutlich aufbessern, doch das Schusspech klebt an seinen Fußballstiefeln. Nach 70 Minuten findet Trainer Weise wohl, dass es endlich einmal an der Zeit ist, den erneut blassen Parits gegen den allerdings bisher noch erfolgloseren Krauth auszutauschen. Aber was soll Weise machen, wenn Bernd Nickel immer noch nicht zur Verfügung steht?

Gegen Ende scheinen sich die überforderten Lauterer auf ihre Auswärtsserie zu besinnen, die sie seit dem 25. August 1973 über Köln, Berlin und Bremen nach Frankfurt geführt hat. Wenn auswärts verloren wird, dann mit 1:3 und nach einem 0:3-Rückstand. Was hier und heute zur Fortsetzung dieser kuriosen Serie fehlt, ist das Ehrentor. In der 85. Minute reicht Klaus Toppmöller dieses nach, als er nach Bitz’ Freistoß an die Latte am schnellsten schaltet und im Spurt den Abpraller einschießt. Lauterns Serie bleibt also bestehen, doch Toppmöller sorgt mit seinem 13. Saisontreffer auch dafür, dass eine andere Serie nicht reißt: In den letzten acht Spielen kassierte die Eintracht je ein Gegentor.

"Schmerzlicher als die Niederlage ist der Platzverweis von Schwager", klagt Kaiserslauterns Trainer Ribbeck: "Da muss man fast 34 Jahre alt werden, um wegen eines Alltagsfouls erstmals in einem Bundesligaspiel vom Platz zu müssen." Nach dem Schlusspfiff wird aufseiten der Eintracht nur bedauert, dass die Elf heute zu wenig für ihre Tordifferenz getan hat. "Ein paar Tore hätten es schon mehr sein können", moniert auch Trainer Weise.

Als kleines Trostpflaster beruft der "Kicker" gleich drei Frankfurter Spieler in die "Elf des Tages": Kliemann zum 3., Rohrbach zum 2. und Kalb zum 1. Mal. Die Eintracht bleibt Tabellenführer, Lautern rutscht von Platz 7 auf 8 ab. Im nächsten Spiel reist die Eintracht nach Stuttgart, wo der VfB die 3:4-Niederlage nach 3:0-Führung aus der Vorrunde vergessen machen möchte. (rs)

 

 

 

 

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