Werder Bremen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1974/1975 - 1. Spieltag

0:3 (0:2)

Termin: Sa 24.08.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Schiedsrichter: Walter Eschweiler (Euskirchen)
Tore: 0:1 Bernd Nickel (24.), 0:2 Gert Trinklein (42.), 0:3 Thomas Rohrbach (89.)

 

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Werder Bremen Eintracht Frankfurt

  • Dieter Burdenski
  • Mario Kontny
  • Karl-Heinz Kamp
  • Rudolf Assauer
  • Dieter Zembski
  • Werner Weist
  • Horst-Dieter Höttges
  • Werner Görts
  • Uwe Bracht
  • Bernd Brexendorf
  • Urban Klausmann

 


 

Wechsel
  • Uwe Erkenbrecher für Uwe Bracht (50.)
  • Volker Ohling für Bernd Brexendorf (63.)
Wechsel
Trainer
  • Josef Piontek
Trainer

 

Weltmeister an der Weser

Die erste Saison unter Dietrich Weise führte die Eintracht aus dem Mittelfeld der Bundesliga in den Titelkampf. Gegen Ende der Saison ging den Frankfurtern zwar etwas die Puste aus, aber in der Abschlusstabelle belegte man Rang 4 und verpasste nur knapp die bisher beste Platzierung aus der ersten Bundesligasaison 63/64, als man Dritter wurde.

Gekrönt wurde die Spielzeit mit dem ersten Titelgewinn seit 1959: Die Eintracht wurde DFB-Pokalsieger durch einen 3:1-Sieg nach Verlängerung über den HSV. Durch die WM wurde das Pokalendspiel leider erst kurz vor Beginn der neuen Spielzeit ausgetragen. Publikumsliebling Uwe Kliemann, den gebürtigen Berliner, den es zurück an die Spree gezogen hat, brachte dieser späte Termin um den Titel eines Pokalsiegers.

Auch Raimund Krauth und der österreichische Nationalspieler Thomas Parits gehören nicht mehr zum Kader für die neue Saison. Krauth wechselte zum FK Pirmasens und Parits zog es nach Spanien zum FC Granada, was der Eintracht ein Ablösespiel gegen die Spanier einbrachte, das man in der Vorbereitung mit 4:2 gewinnen konnte.

Mit Klaus Beverungen von Schalke 04 und Bernd Lorenz von Rapid Wien sind natürlich auch neue Spieler an den Riederwald gekommen. Beverungen sah in Gelsenkirchen nach der Rückkehr des wegen des Bundesligaskandals gesperrten Schalker Spieler keine Zukunft im Ruhrgebiet und wurde für 200.000 DM Ablöse verpflichtet: "Wenn ich es in Frankfurt nicht schaffe, hänge ich meine Fußballschuhe an den Nagel.“

Aus ähnlichen Gründen wie Beverungen verließ Bernd Lorenz nach zwei Spielzeiten zur Saison 71/72 Werder Bremen. 10 Tore in 51 Ligaspielen waren nicht genug, als die Bremer beschlossen, sich ihre „Millionenelf“ zusammenzukaufen. Mit Bernd Lorenz, Björnmose, Coordes und Meyer, die alle den Klub verließen, waren die Werderaner 10. geworden, die „Millionenelf“ mit Peter Dietrich, Herbert Laumen, Willi Neuberger, Werner Weist und Jürgen Weber kam in den beiden folgenden Spielzeiten über Platz 11 nicht hinaus...

Eigentlich hatte Trainer Weise ein Auge auf Lorenz` Klubkamerad Hans Krankl geworfen, der das Mittelstürmerproblem der Eintracht lösen sollte. Doch der Wechsel Krankls an den Main zerschlug sich, als der Österreichische Fußballverband plötzlich den Beschluss fasste, dass Fußballer, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht für das Ausland freigegeben werden, eine „Lex Krankl“ sozusagen.

Weise beendete die Suche später, in dem er den Mannschaftskameraden von Hans Krankl zur Eintracht holte. Einen Mittelstürmer, der bei Rapid von Hans Krankl auf die Linksaußenposition verdrängt wurde und der zur Eintracht kam, weil – wie Lorenz sagt - „die Eintracht mir die Zusage gab“ wieder in gewohnter Position eingesetzt zu werden: „Ich spiele lieber Mittelstürmer.“ Trainer Weise bremst jedoch seinen „Mittelstürmer“: „Seine Vielseitigkeit ist wichtig für uns. Er kann auch jederzeit auf Außen stürmen.“

Bernd Lorenz hätte heute gegen seine alte Mannschaft gerne gespielt, aber er ist ebenso wenig dabei wie Günter Wienhold, der Dr. Kunter in der letzten Saison nach dessen beiden Flutlichtspielen in Essen und Oxxenbach den Rang abgelaufen hatte. Wienhold erlitt am 28. Juli im Vorbereitungsspiel gegen den Namensvetter aus Bad Kreuznach eine Gehirnerschütterung und musste über eine Woche im Krankenhaus verbringen. Sein Missgeschick und die daraus resultierende wochenlange Pause erleichterte Trainer Weise auf unliebsame Art die Wahl zwischen den beiden erstklassigen Torhütern.

Die Eintracht beginnt also mit Dr. Kunter im Tor, Trinklein als Libero, Körbel für den abgewanderten Kliemann als Stopper und Reichel und Kalb als Außenverteidiger, im Mittelfeld mit Roland Weidle, dem endlich verletzungsfreien Nickel sowie dem Neuzugang Beverungen und Kapitän Grabowski, im Sturm steht Hölzenbein neben Rohrbach.

Bremens Trainer Piontek befürchtete vor dem Spiel, dass seine Elf vor allen Dingen im Mittelfeld nicht mit den Gästen würde mithalten können. In den ersten Minuten erscheinen sich seine diesbezüglichen Sorgen nicht zu bestätigen, Werder kann die Partie zu Beginn durchaus offen halten.

Mit der Zeit setzen sich aber die größere Cleverness und die ausgereifte Spielanlage der Eintracht durch. Kalb, der Klausmann nun besser im Griff hat, sorgt mit seinen Vorstößen im Mittelfeld für ein numerisches Übergewicht der Eintracht und Weidle erhöht mit seinem wie immer beachtlichen Laufpensum im Verbund mit Hölzenbein und Grabowski die Dynamik im Offensivspiel seiner Elf.

Besonders beachtlich ist die Verfassung der beiden Weltmeister im Trikot der Eintracht: Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski. Weil der „Frankfurter Flügelzange“ nach dem Gewinn des WM-Titels ein Kurzurlaub eingeräumt wurde, ging einen ein Teil der Vorbereitungszeit verloren: Erst seit vier Wochen sind die beiden wieder im Training und mussten bereits vor einer Woche im Pokalfinale über 120 Minuten gehen. Davon ist ihnen heute nichts anzumerken. Einmal mehr: Grabi und Holz – Deutschlands Stolz und Frankfurts Freude.


Burdenski nach dem Nickel-Geschoss am Boden

Die Begeisterung der Bremer Fans über den gelungenen Start ihres Teams lässt dagegen von Minute zu Minute nach und erlischt in der 24. Minute endgültig: Bremens Keeper Burdenski lässt sich von einem Weitschuss Nickels überraschen und aus gut 25 Metern zischt das Geschoss Dr. Hammers am indisponierten Werderaner Schlussmann zur Frankfurter Führung ins Netz.

Die Eintracht ist nun klar Herr im Haus und beherrscht Spiel und Gegner. Zu begrenzt sind die Möglichkeiten der Bremer, um den Frankfurtern gefährlich werden zu können und in der Hintermannschaft der Hessen ist an dem umsichtigen Trinklein und dem zweikampfstarken Körbel kein Vorbeikommen.

Der junge Karl-Heinz Körbel, der in seinen Aktionen eleganter als Kliemann wirkt, hat für einen Stopper einen beeindruckenden Aktionsradius. Noch überboten wird er hier natürlich von dem bekannt forschen Trinklein; immer wieder beteiligt sich der Libero an den Angriffszügen seiner Elf.

So auch drei Minuten vor dem Pausenpfiff. Wieder einmal hält Gert Trinklein nichts hinten – im Pokalfinale vor einer Woche konnte ihn ja nicht einmal die strikte Order seines Trainers, bloß nicht die Mittellinie zu überqueren, in der eigenen Abwehr binden. Seinen Sololauf gegen den HSV krönte er mit einem Tor und auch heute ist ihm das Glück hold: Gegen seinen Schuss aus 16 Metern hat Burdenski keine Abwehrchance. 2:0 für die Eintracht kurz vor der Pause. Besser hätte es für die Gäste kaum laufen können.

Der väterlich streng wirkende Weise lächelt über Trinkleins Offensivdrang: „Wenn ein Libero häufig nach vorn geht, ist das nicht ganz ungefährlich. Aber wenn er dabei solche Tore wie Trinklein macht, kann man sich als Trainer nur sehr freuen.“

Auch nach der Pause erweist sich im Mittelfeld der Bremer das Fehlen der routinierten Dietrich und Roentved sowie der Neuerwerbung Jürgen Röber als zu große Hypothek für das Spiel der Gastgeber, zumal „Eisenfuß“ Höttges in seiner Mittelfeldrolle gegen Bernd Nickel überhaupt nicht zurechtkommt. Höttges vermutet den Grund für seine Unterlegenheit in einer Überzahl des Gegners und ruft in Richtung Piontek: „Trainer, haben die Frankfurter eigentlich 12 Mann auf dem Platz?“ Nein, sie haben nur in Kalb, Körbel, Reichel und Trinklein Defensivspieler, die immer wieder gelungen am Angriffsspiel der eigenen Elf teilnehmen.

Erschwerend kommt für die Werderaner hinzu, dass Hölzenbein und Grabowski ihre weltmeisterliche Form in die neue Saison hinüber gerettet haben und zur Verwirrung der Bremer ständig ihre Positionen wechseln. Das ohnehin variantenreiche Spiel der Hessen ist dadurch für die Norddeutschen noch schwerer auszurechnen.

Bracht, der in der Anfangsphase noch einige gelungene Szenen hatte, ist untergetaucht. Aus dieser versteckten Position kann er natürlich dem Offensivdrang Klaus Beverungens immer weniger entgegen setzen. In der 50. Minute wird er folgerichtig ausgewechselt und durch Uwe Erkenbrecher ersetzt. Klaus Beverungen macht dagegen deutlich, dass sein Spiel unter dem Motto steht: „Ich will den Stammplatz, den Schalke mir vorenthalten hat.“

Pionteks Maßnahme ändert nichts an der Überlegenheit der Gäste, so dass der Bremer Trainer in der 63. Minute erneut eine Auswechslung vornimmt. Er wechselt Brexendorf aus und den jungen Mann ein, der in der letzten Saison in seinen beiden ersten Kurzeinsätzen in der Bundesliga jeweils ein Tor erzielte: Volker Ohling. Den Frankfurtern ist Ohling nur zu gut bekannt: Sein zweites Tor erzielte er zwei Minuten nach seiner Einwechslung zum 1:1-Endstand gegen die Eintracht. Heute allerdings – das wird schnell klar – kann der Nachwuchsstürmer seiner Elf nicht helfen.

Im Angriff geht bei den Gastgebern nichts. Einfallslos werden die Bälle nach vorn gedroschen, weil sie im Mittelfeld keine Abnehmer finden. Die Frankfurter Hintermannschaft bedankt sich bei den Bremern für die leichte Beute, in dem sie das Leder zielstrebig vor das Tor der Werderaner zurück tragen.

Die Norddeutschen haben aber noch eine andere Möglichkeit entdeckt, wie sie das Spielgerät an den Gegner bringen können: Fehlpässe. Hier tut sich besonders Zembski hervor. In den Zweikämpfen mit dem wendigen Hölzenbein kann er sich noch einigermaßen zufriedenstellend aus der Affäre ziehen, doch die Häufigkeit seiner Fehlpässe treiben seinem Trainer die Zornesröte ins Gesicht und seine Kameraden zur Verzweiflung.

Hätte Piontek nur einen Spieler von der Klasse Nickels oder Grabowskis auf dem Platz, könnte das Spiel vielleicht noch eine Wende erfahren. Aber Piontek ist kein Zauberer und so muss er die magischen Momente den Gästen überlassen, bei denen Nickel mit seinen zentimetergenauen Musterpässen ebenso brilliert wie Jürgen Grabowski mit seiner Übersicht und seinen Soli.

Am Ende der Partie erhält dann Thomas Rohrbach den verdienten Lohn dafür, dass er sich nach verhaltenem Beginn ins Spiel gekämpft und der Leistung seiner Kollegen angenähert hat: Der „Rebell“, der zum Saisonauftakt beim traditionellen Fototermin unentschuldigt gefehlt hatte, setzt in der vorletzten Spielminute den Schlusspunkt in Form des 3:0-Endstandes.

Bremens Trainer Piontek erkennt nach der Partie ohne zu Zögern die erdrückende Überlegenheit des Gegners an: „Bei der Eintracht gibt es keinen schwachen Punkt. Die Mannschaft ist gegenüber dem Vorjahr noch homogener und selbstbewusster geworden.“

Trainer Weise, der der Mannschaft intern immer wieder ihre Stärken ins Bewusstsein ruft, bremst wie gewohnt in der Öffentlichkeit die Erwartungen an sein Team: „Für solche Lobeshymnen ist es noch zu früh. Allerdings hat es mich gefreut, wie gut die Mannschaft den Pokalsieg verkraftet und sich auf die neue Aufgabe konzentriert hat.“

Ein Sonderlob hat der Trainer aber parat: „Bernd Nickel hat sich auf hervorragende Art wieder in die Mannschaft gespielt. Er passt sich jetzt voll und ganz dem Konzept an, und das hat ihn so wertvoll gemacht.“

Der Gelobte stellt – wie immer bescheiden – die Mannschaft in den Mittelpunkt: „Bei uns ist jeder am Ball stark. Unser Mittelfeld wird von keiner anderen Mannschaft in der Bundesliga übertroffen.“ Bernd Nickel ist jedoch auch an einem solchen Tag nicht ohne Zweifel: „Manchmal fragen wir uns, ob wir wirklich so gut sind wie der Trainer uns versichert.“

Während an Bernd Nickels Panzer der Zurückhaltung das überschwängliche Lob abzuperlen scheint, ist Werner Görts sicht- und hörbar angefressen. Dazu hat er auch Grund: Wie Georg Volkert eine Woche zuvor konnte sich auch Görts gegen Peter Reichel nicht durchsetzen. Görts´ Reaktion zeigt, dass bei Werder grundsätzlich etwas nicht zu stimmen scheint: „Ich weiß auch, dass ich nicht gut gespielt habe, aber jetzt soll man erst einmal die kritisieren, die hier die dicken Gelder einstecken.“

Mannschaftskapitän Rudi Assauer fällt ein vernichtendes Urteil über die eigene Elf: „Heute haben Amateure gegen Profis verloren.“ Wenn man allerdings das Ergebnis aus dem Frankfurter Waldstadion hört, wo der amtierende Deutsche Meister und Europapokalsieger Bayern München mit sage und schreibe 0:6 untergegangen ist, möchte man eher meinen, dass die Bayern heute mit Amateuren angetreten sind. Während die Bayern das Tabellenende zieren, ist die Eintracht bereits nach dem ersten Spieltag dort, wo sie hingehört: ganz oben dabei. (rs)


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