1. FC Kaiserslautern - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1974/1975 - 22. Spieltag

2:2 (2:2)

Termin: Sa 01.03.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 1:0 Klaus Toppmöller (12.), 2:0 Roland Sandberg (25.), 2:1 Bernd Nickel (28.), 2:2 Wolfgang Kraus (39.)

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1. FC Kaiserslautern Eintracht Frankfurt

  • Ronnie Hellström
  • Hans-Günther Kroth
  • Ernst Diehl
  • Werner Melzer
  • Walter Frosch
  • Josef Pirrung
  • Heinz Wilhelmi
  • Roland Sandberg
  • Klaus Toppmöller
  • Johannes Riedl
  • Heinz-Rudolf Weiler

 


 

Wechsel
  • Hermann Bitz für Heinz-Rudolf Weiler (44.)
  • Peter Schwarz für Walter Frosch (62.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

Skala des Selbstvertrauens

Mit dem 7:1-Kantersieg gegen Tennis Borussia Berlin hat sich die Eintracht im Kampf um die internationalen Startplätze eindrucksvoll zurückgemeldet. Bernd Nickel geht sogar noch einen Schritt weiter und hat auch den Titel noch nicht aus den Augen verloren. Dazu darf „das Schlüsselspiel der bisherigen Saison“, wie „Dr. Hammer“ die Auswärtsaufgabe auf dem Betzenberg nennt, aber auf keinem Fall in die Hose gehen. „Wenn wir beim FCK verlieren sollten, ist der Meisterschaftszug wohl endgültig ohne uns abgefahren. Doch ich bin davon überzeugt, dass wir dort zumindest den ersten Punkt holen, denn wir benötigen, um weiter Anschluss halten zu können. Ich glaube, dass die Lauterer mehr Angst vor uns als wir vor ihnen haben“, ist Nickel optimistisch.

Dabei hat die Eintracht mit den letztendlich erfolglosen Versuchen, den Lauterer Pirrung an den Main zu holen, durchaus Öl in das Feuer gegossen, das in der „Hölle“ auf dem Betzenberg brennen soll. Der ehemalige Eintracht-Trainer Ribbeck, der zur Spielzeit 73/74 mit dem damaligen Lauterer Coach Dietrich Weise die Trainerstühle tauschte, will jedoch von bösem Blut wegen der Frankfurter Bemühungen um Pirrung nichts wissen: „Der Zorn ist vorbei, aber diesmal ist die Eintracht dran!“

Das vollmundige Versprechen des Fußballlehrers ist wohl eher der Stimmung rund um den Betzenberg geschuldet, als dass es seinen Ursprung in den Leistungen seines Teams haben könnte. Die bisherige Runde verlief für den ehemaligen Eintracht-Trainer überaus enttäuschend. Verfehlte er mit den Pfälzern in der letzten Saison mit dem 6. Platz nur knapp die beste Platzierung in der Bundesligageschichte des Vereins, kam man in dieser Spielzeit mit Ausnahme des 2. Spieltages nie über den 11. Platz hinaus. Das ist kein Wunder, denn so stark die Lauterer am Betzenberg sind, so schwach sind sie ohne ihr Publikum im Rücken. In der Fremde haben die Pfälzer nur ein einziges Spiel gewonnen, die restlichen acht Partien gingen verloren.

Ein weiter Grund der Lauterer Misere ist möglicherweise im Sturm zu suchen. In der letzten Bundesligasaison erzielten Pirrung, Sandberg und Toppmöller 53 der 80 Lauterer Treffer, in der laufenden Runde erreicht nur Sandberg die Form und die Quote der vergangenen Spielzeit. Beim 13maligen Torschützen der letzen Saison Pirrung stehen immerhin noch 5 Tore zu Buche, doch besonders enttäuschend verläuft die aktuelle Spielzeit für Klaus Toppmöller, der in der letzten Bundesligasaison mit 21 Treffern torgefährlichster Lauterer war. Immerhin scheint sich Toppmöller nach einer verkorksten Hinrunde mit nur zwei Toren jetzt wieder gefangen zu haben - in den letzten drei Partien traf er zweimal. Roland Sandberg, der schwedische Nationalstürmer ist ohnehin eine sichere Bank: Nach 19 Toren in der vorherigen Saison war er in dieser Spielzeit bisher bereits 17 Mal erfolgreich. Auf diese beiden wird die Frankfurter Hintermannschaft besonders achten müssen.

Klaus Toppmöllers Bruder Heinz, der in seiner dritten Profisaison bei den Pfälzern erst in den letzten beiden Partien zu seinen ersten Bundesligaeinsätzen kam, ist heute nicht erste Wahl. Bei dem 0:3 auf dem Bökelberg vor einer Woche erwischte Heinz Toppmöller einen rabenschwarzen Tag, der an seiner Erstligatauglichkeit zweifeln lässt. Zudem leitete er mit seinem Eigentor nach knapp einer Stunde die Niederlage ein.

Auf dem Betzenberg haben die Lauterer in dieser Saison – neben dem Remis gegen Schalke – allerdings nur zwei Partien verloren und wie die Eintracht im Waldstadion bisher 17:5 Punkte geholt. Nicht nur deswegen weiß Eintracht-Trainer Weise: „Auf dem Betzenberg war's schon immer schwer.“ Aus den letzten sechs Auswärtsspielen hat Weises Mannschaft nur zwei Punkte geholt, der letzte Bundesligasieg auf fremden Platz liegt schon einige Monate zurück – er stammt aus dem September des Vorjahres. Andererseits warten auch die Pfälzer schon seit geraumer Zeit auf einen Erfolg gegen die Eintracht, der letzte Sieg datiert aus dem September 1970.

Einer von den fünf Akteuren der Eintracht, die heute in der Startelf stehen und bei jener Niederlage vor fast viereinhalb Jahren mit von der Partie waren, ist der eingangs erwähnte und so optimistisch gestimmte Bernd Nickel. Seine gute Laune hängt sicher mit seinem überragenden Spiel gegen TeBe am letzten Spieltag zusammen, als Trainer Weise ihm die Aufgaben des Spielers mit der Nr. 10 auf dem Rücken übertrug: „Spielmacher und vierte Angriffsspitze zu spielen, war schon immer meine Lieblingsrolle. Zum einen verliere ich nicht soviel Kraft mit andauernden Deckungsaufgaben im Mittelfeld. Zum anderen befinde ich mich weitaus häufiger in Tornähe und komme somit auch weitaus häufiger zum Torschuss.“ Allerdings hat die Eintracht mit Kapitän Grabowski einen weiteren genialen Spieler in ihren Reihen, der sich im Mittelfeld endlich von den Limitationen befreit sieht, die ihm die zugewiesene Rolle des Außenstürmers eine Karriere lang auferlegt hat. Nickel will diesen sportlichen Konflikt nicht zu hoch angesiedelt wissen: „Wer von uns die Nr. 10 trägt, das hängt allein von der Taktik ab. Außerdem sind wir von der Spielanlage her völlig verschiedene Typen. Ich bevorzuge den langen Pass, während der Grabi mit seinen Dribblings die Gegner auf sich zieht und dann die eigenen Kollegen freispielt.“

Von solchem Selbstbewusstsein ist Bernd Hölzenbein auf dem Platz weit entfernt, auch wenn seine Formkurve gegen TeBe nach oben zeigte. Dem „Holz“ fehlt ein Erfolgserlebnis: „Jetzt ein Tor und ich wäre wieder der Alte“, sagt er und sein Trainer sieht das auch so: „Jetzt braucht der Bernd nur noch eins, zwei Tore, dann hat er den Durchbruch geschafft.“

Auf den muss Winfried Stradt, der gegen Berlin sein Bundesligadebüt gab, warten. Trotz ansprechender Partie gibt Trainer Weise heute lieber dem erfahrenen und schnellen Rohrbach mal wieder eine Chance von Beginn an. Das ist aber gegenüber dem letzen Spieltag die einzige Änderung, so dass es diese elf Adler sind, die sich von den „roten Teufeln“ nicht auf die Hörner nehmen lassen wollen: Wienhold - Reichel, Trinklein, Körbel, Neuberger - Beverungen, Kraus, Nickel – Rohrbach, Grabowski und Hölzenbein.

Mit drei echten Sturmspitzen will die Eintracht also die Punkte aus der Pfalz mitnehmen. Ins offene Messer laufen sollen die Frankfurter ihrem Gegner aber nicht. Deshalb verordnet Trainer Weise seiner sonst so offensiven Abwehrreihe ein enges Korsett, das sie in der eigenen Hälfte binden soll. Reichel hat sich 90 Minuten lang ausschließlich auf Torjäger Sandberg zu konzentrieren, während Neuberger nur dann Ausflüge nach vorn starten soll, wenn er den quirligen Pirrung fest im Griff hat. Vorstöße aus der Abwehr, so lautet Dietrich Weises Taktik, sind nur Karlheinz Körbel gestattet, der mit Weiler den „ungefährlichsten“ Kaiserslauterer Stürmer zum Gegner hat, wie der Eintracht-Trainer glaubt.

Die taktische Gegenmaßnahme von Erich Ribbeck - Diehl mit der Sonderbewachung von Jürgen Grabowski zu beauftragen – begegnet der Frankfurter Kapitän mit großer Laufbereitschaft, durch die er sich der Bewachung durch Diehl immer wieder erfolgreich entzieht. Das Konzept Weise geht jedoch nur bis zur 12. Minute auf. Als hätte er auf der Autobahn eine Auffahrt mit einer Abfahrt verwechselt, dribbelt Hölzenbein in der eigenen Hälfte an der Seitenlinie entlang - in Richtung Eintracht-Tor. Bedrängt von einem Gegner wäre es dennoch ein Leichtes den Ball ins Aus zu schlagen, doch diese Lösung scheint dem Weltmeister aus ästhetischen Gründen zu widerstreben. So riskiert er an der Eckfahne einen Rückpass zu Wienhold, der ihm aber viel zu lässig und zu kurz gerät. Roland Sandberg ist so aufmerksam wie schnell und kommt so vor dem herausstürzenden Eintracht-Torwart an den Ball. Sandberg spielt das Leder zurück auf den Elfmeterpunkt, wo es von Klaus Toppmöller mit dem Kopf in das von Wienhold verlassene Tor gewuchtet wird.

Ein unnötiges Tor, das die Eintracht aus dem Rhythmus wirft und Hölzenbein völlig zu entnerven scheint. In dem Spiel, „für das ich mir soviel vorgenommen hatte“, wankt Hölzenbein nun wie ein angeschlagener Boxer über das Spielfeld. Mit weichen Knien gelingt vielleicht ein Tänzchen auf dem Parkett, beim Fußball sind sie hinderlich. Trainer Dietrich Weise spielt sogar mit dem Gedanken, seinen entmutigten Stürmer auszuwechseln, doch dann beißt Holz auf die Zähne und sich durch. Der Weltmeister bleibt im Spiel.

Die Abwehr der Eintracht ist jedoch durcheinandergeraten. Zudem lässt der 1,73 große Kraus dem sieben Zentimeter kleineren Riedl im „Bambiniduell“ zu viel Raum, den Riedl im Mittelfeld nutzt, um das Spiel der Lauterer zu machen. So kommen die Gastgeber natürlich auch zu Chancen, wie in der 21. Minute, als Wienhold einen Riedl-Schuss gerade noch um den Pfosten drehen kann. Zwei Minuten später rettet Neuberger in höchster Not und letzter Sekunde vor Sandberg. Weitere zwei Minuten später ist es dann aber passiert, diesmal hält den torgefährlichen Schweden niemand auf. Nach einem Musterpass von Riedl kommt Sandberg in Fahrt, schlängelt sich im Strafraum zwischen Beverungen und Trinklein hindurch, lässt dann auch noch Wienhold aussteigen und bringt den Ball aus spitzem Winkel im Tor der Eintracht unter.

Angst und Bange kann einem nun werden, wenn man Fan der Frankfurter Eintracht ist, doch dieses Gefühl währt nur drei Minuten. Ist der Gegner nicht willig, so brauche man Gewalt, denkt sich Bernd Nickel und drischt einen Freistoß auf das von Hellström gehütete Tor. Das Glück ist manchmal mit den Doofen, oft mit dem Tüchtigen, hier und jetzt ist es mit dem Gewaltigen. Dr. Hammers Geschoss wird abgefälscht und findet Ronnie Hellström überrascht und machtlos.

„Psychologisch wichtig“ nennt man solch ein Tor wohl und tatsächlich erhält das Spiel der Gäste nun Auftrieb, während die Gastgeber in Schwierigkeiten geraten. Dabei fällt deren Führung nur ein Tor knapper aus als zuvor, Bestand hat sie ja noch. Ungeachtet des Spielstandes gestalten die Frankfurter das Spiel wieder offen. Grabowski und Nickel überbrücken mit weiten Pässen das Mittelfeld und Kraus erobert sich nun den Spielraum, den er zuvor Riedl überlassen hatte. Nicht nur das Leben ist ein seltsames Spiel, auch der Fußball ist es.


Das 2:2 durch Wolfgang Kraus

Wie im Leben kommt auch im Fußball irgendwann die nächste Chance, die Chance für ein Tor oder einfach nur die Chance, es besser zu machen als zuvor. Hölzenbein bietet sich eine solche Chance nach 39 Minuten – und er nutzt sie energisch. Bis zur Strafraumgrenze spielt er sich wunderbar durch, nimmt sich ein Herz und wagt einen Schuss, den Hellström nur an die Querlatte lenken kann. Kraus ist beim Abpraller zur Stelle und schießt, doch Hellström wehrt erneut ab. Nun allerdings ist Kraus im Vorteil, obwohl er von fünf Lauterern umringt wird. Walter Frosch ist in dieser Szene nicht nur der fünfte Lauterer, sondern auch das fünfte Rad am Wagen – er kann nicht eingreifen. Die restlichen vier Pfälzer Akteure geben ihr Bestes, Kraus am Ausgleich zu hindern. Einer stochert von hinten, einer grätscht von links, ein anderer von rechts, während Hellström im Krabbelstil an den Ball zu kommen versucht – vergebens. Wie ein Rodeoreiter ohne Pferd hält Kraus mit einem erhobenen Arm die Balance, als er - den Blick mit offenem Mund streng auf das Leder gerichtet – den Ball aus kurzer Distanz über die Linie kickt.


Der Torschütze, umrahmt
von vier Lauterern

Selbst als die Kugel bereits zum 2:2 im Netz liegt und zwei Lauterer verbissen dem Unheil hinterherblicken, während sie sich durch ihre Grätschen auf den Unterschenkeln des „Scheppe“ häuslich eingerichtet haben, ist die Anspannung ebenso wenig aus den Gesichtszügen des Torschützen gewichen wie das Adrenalin aus seiner Blutbahn. Dieses Tor hat Hölzenbein vorbereitet, erzielt hat es der große Wille des kleinen Kämpfers im Eintrachttrikot.

Fast kommt es noch besser für die Gäste, denn eine Minute vor dem Pausenpfiff hat Nickel die Möglichkeit zur Frankfurter Führung. Nach einem tollen Pass von Grabowski taucht er allein vor Hellström auf, muss allerdings mit dem rechten Fuß schießen, der bekanntlich nicht sein stärkerer ist - der Ball kullert am Tor vorbei.

Zu diesem Zeitpunkt hat sich Weiler nach einem Zusammenprall mit Körbel bereits verletzt und muss mit der Bahre vom Platz getragen werden. Die wütenden Proteste der Zuschauer sind Schiedsrichter Weyland gewiss, der die Szene nicht gesehen oder nach Meinung der Zuschauer falsch eingeschätzt hat. Für Weiler kommt in der 44. Minute Bitz in die Elf der Lauterer.

In der zweiten Halbzeit beherrscht eine spielende und kämpfende Eintracht den Gegner. Nickel und Grabowski führen zusammen wahrhaft meisterlich Regie. Grabowski bringt die notwendige Ruhe ins Spiel, die der unermüdliche Rackerer Nickel braucht, um seine herrlichen Pässe zu schlagen. Nicht nur Nickel prüft Hellstrom nun mit Weitschüssen, auch Neuberger, der mit Pirrung keine Probleme hat, stürmt aus der Tiefe heraus nach vorne und sucht sein Glück zwischen den Pfosten des Lauterer Tores. Nach 52 Minuten zieht Neuberger aus etwa 25 Metern unwiderstehlich ab und donnert die Kugel unter die Querlatte. Nicht nur wegen des bevorstehenden Länderspiels in Wembley werden Erinnerungen an das WM-Finale von 1966 wach, doch diesmal ist kein Linienrichter da, der den Ball im Tor gesehen haben will.

Bernd Hölzenbein hat den Schock seines Fehlers völlig überwunden und spielt in der zweiten Halbzeit groß auf. Holz trickst und fintiert, als wolle er das Gerede über seine Formkrise als böswilliges Gerücht entlarven. Es ist eine wahre Freude, Hölzenbein zuzusehen, es sei denn, man ist Anhänger der Gastgeber oder gar der bedauernswerte Gegenspieler höchstselbst. Walter Frosch heißt der, aber armes Schwein könnte in diesem Spiel auch passen. Nach 62 Minuten hat Trainer Ribbeck ein Einsehen und holt ihn von der Schlachtbank, auf der ihn Hölzenbein genüsslich zerlegt. Schwarz soll nun den Weltmeister stoppen.

Gestoppt wird jedoch drei Minuten später erst einmal der Ball und zwar von der Latte des Frankfurter Tores. Bitz kapitaler Schuss wäre für ein Tor gut gewesen, doch schon geht es auf der anderen Seite weiter. In der 69. Minute ist dann Grabowski im Strafraum durch und steht einschussbereit vor Hellström, als er von hinten durch Melzer von den Beinen geholt wird. Ob Schiedsrichter Weyland noch die Pfiffe gegen ihn aus dem ersten Durchgang im Ohr hat? Auf jeden Fall verzichtet er in dieser Situation auf den seinen und lässt weiter laufen - des Unparteiischen Pfeife bleibt stumm.

Die Eintracht lässt sich vom Ausfall des Pfeifenmannes nicht beeindrucken. Rohrbach kommt gegen Kroth immer besser zum Zug und kurz nach dem Foul an Grabowski hat Rohrbach die Chance zum 3:2. Er erläuft einem Traumpass von Nickel und hebt den Ball gefühlvoll über den herausstürzenden Hellström hinweg. Ein sicheres Tor, wenn nicht kurz vor der Linie Bitz mit einem artistischen Rückzieher den Treffer verhindern würde.

Doch auch die Kaiserslauterer haben ihrerseits Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden. Ein Viertelstunde vor dem Ende spielt Körbel einen haarsträubenden Fehlpass, der dafür sorgt, dass Sandberg allein vor dem Tor auftauchen kann. Der spielt Wienhold aus, wird aber im letzten Moment durch eine Notbremse von Reichel aufgehalten. Ein klarer Strafstoß, Riedl legt sich den Ball zurecht.

Fünf Elfmeter hat Riedl, der erst vor dieser Saison von Hertha BSC Berlin an den Betzenberg kam und zuvor für den FK Pirmasens und den MSV Duisburg kickte, verwandelt, zwei in der Bundesliga und drei im DFB-Pokal. Ob er dennoch im Hinterkopf hat, dass bei der 1:4-Heimniederlage in der letzten Saison Huber und Pirrung gegen Dr. Kunter ihre Foulelfmeter nicht verwandeln konnten? Wie dem auch sei – auch Riedl scheitert an Wienhold, der den Strafstoß glänzend pariert. Und in der 81. Minute ist es erneut der Frankfurter Torhüter, der bei einem Volleyschuss Sandbergs vom Elfmeterpunkt reaktionsschnell die Hände hochreißt, und der Eintracht einen Punkt sichert.

Erich Ribbeck gibt sich trotz der Siegchancen zum Ende der Partie versöhnlich: „Es war in der zweiten Halbzeit ein hochklassiges Spiel und das 2:2 ist gerecht. Es gab Torchancen auf beiden Seiten. Leider haben wir es nicht verstanden, die Führung, wenigstens ein 2:1, in die Pause zu nehmen. Die Frankfurter sind in Kaiserslautern zu allen Zeiten ein starker Gegner, was diesmal darauf zurückzuführen ist, dass Hölzenbein eine enorme Leistungssteigerung geboten hat. Höhepunkte waren die Duelle Grabowski gegen Diehl, Weiler hat einen Tritt gegen den Knöchel erhalten und muss zum Röntgen ins Krankenhaus.“

„Wir haben in der zweiten Halbzeit ein großartiges Spiel gesehen und das 2:2 ist insgesamt gesehen gerecht. Wir wollen im März den Anschluss zur Spitze schaffen und haben hierzu die Grundlage gelegt“, resümiert Dietrich Weise Ergebnis und Leistung seiner Elf, um auch den Finger in die deutlich sichtbare Wunde zu legen: „Solange dieser Leichtsinn nicht abzustellen ist, werden wir nie ganz oben hinkommen.“ „Schier verrückt werden“ wollte der Trainer bei den Aktionen der Gebrüder Leichtfuß Körbel und Hölzenbein. Hölzenbeins Geisterfahrt vor dem 0:1, als Holz den Ball nicht einfach ins Aus schlug, und Körbels Rückpass auf Pirrung trieben heute aber sicher nicht nur den Trainer fast in den Wahnsinn, sondern auch die Eintrachtfans zur Weißglut.

Positiv ist, dass dem Leichtsinn nur der Rückstand folgte, aber diesmal keine Resignation. Im Gegenteil, die Diva vom Main bewies eine Kampfmoral, „ohne die die Eintracht auf dem Betzenberg keinen Blumentopf hätte gewinnen können“, kommentiert Jupp Derwall, der Assistent von DFB-Trainer Helmut Schön.

Im besonderen Maße galt das heute für Bernd Hölzenbein, dem sein Fehler vor dem ersten Lauterer Tor wie ein Tiefschlag zusetze, der sich nach einigen Minuten des Wankens aber für die Mannschaft gerade machte und mit seinem Lattentreffer das 2:2 vorbereitete. Hölzenbein beschreibt diesen befreienden Moment in ungewöhnlicher Weise: „In diesem Moment war die Skala meines Selbstvertrauens wieder ausgeglichen.“ Das war seinem Spiel ab diesem Zeitpunkt deutlich anzumerken, „und hätte Ribbeck nicht den Frosch herausgenommen, wären die Lauterer in echte Schwierigkeiten gekommen“, bestätigt sich Hölzenbein sein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein. „Dass sich Bernd durch dieses Tief durchgekämpft hat, das ist für mich die positivste Erkenntnis dieses Spiels“, sagte Eintracht-Trainer Weise und für Kollege Ribbeck „hing die starke zweite Halbzeit der Eintracht mit der Leistungssteigerung Bernd Hölzenbein zusammen.“

Bernd Hölzenbein könnte nun noch den Sprung ins Englandaufgebot noch schaffen. Sein Konkurrent Josef Pirrung wurde von Willi Neuberger weitgehend neutralisiert. „In der Abwehr fühle ich mich viel wohler als auf Linksaußen“, gibt der als Stürmer verpflichtete Ex-Wuppertaler zu Protokoll.

Im Gegensatz zu Hölzenbein, Körbel und Nickel kommt Jürgen Grabowski für die DFB-Auswahl aufgrund eigenen Entschlusses nicht mehr infrage, was heute kein Zuschauer mehr bedauert haben dürfte als Jupp Derwall. Grabowski indes benötigt die Nationalmannschaft für seinen Seelenfrieden nicht: „Ich war nach einem Spiel schon lange nicht mehr so mit mir zufrieden.“ In der Tat füllte Grabi seine Rolle - als Mittelstürmer Mittelfeldregie zu führen und als Mittelfeldregisseur Mittelstürmer zu spielen – perfekt aus. Er verwirrte die Pfälzer im Allgemeinen und seinen alten Rivalen Ernst Diehl im Besonderen, den er mit seinem Wechselspiel ein ums andere Mal erfolgreich aus dem Abwehrzentrum herauslocken konnte. Ein riesiger Aktionsradius und 90 Minuten unverdrossener Kampf hinderten den Kapitän nicht, das Eintrachtspiel mit seiner Übersicht und Technik Ruhe zu beruhigen.

Kein Zweifel, trotz der Unkonzentriertheiten hat die Eintracht einen ermutigenden Auftakt auf ihrem Marsch durch den März hinter sich gebracht, der ohne Einbruch vonstattengehen soll. Gelingt es, den Leichtsinn im gleichen Maße ab- wie die Kampfmoral auszubauen, ist der Angriff auf die Spitze vielleicht noch einmal möglich. Jürgen Grabowski ist zuversichtlich: „Es geht aufwärts. Das war unser bestes Auswärtsspiel der Saison.“

In der Tabelle hat es die Eintracht allerdings nicht weitergebracht. Lautern bleibt 13., die Eintracht büßt einen Rang ein und steht auf Platz 6. Am nächsten Spieltag kommt mit dem MSV Duisburg der 11. ins Frankfurter Waldstadion. (rs)

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