Schalke 04 - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1976/1977 - 21. Spieltag

1:1 (0:1)

Termin: Sa 05.02.1977, 15:30 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Walter Engel (Reimsbach)
Tore: 0:1 Helmut Kremers (30., Eigentor), 1:1 Rolf Rüssmann (50.)

 

 

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Schalke 04 Eintracht Frankfurt

  • Enver Maric
  • Jürgen Sobieray
  • Klaus Fichtel
  • Rolf Rüssmann
  • Helmut Kremers
  • Ulrich Bittcher
  • Hannes Bongartz
  • Branko Oblak
  • Rüdiger Abramczik
  • Klaus Fischer
  • Erwin Kremers

 


 

Wechsel
  • Manfred Dubski für Jürgen Sobieray (78.)
  • Hans-Jürgen Gede für Branko Oblak (78.)
Wechsel
Trainer Trainer



 

 

Kaffeeklatsch und Klassenerhalt

Kuno Klötzer, der Trainer des Hamburger SV, muss zum Saisonende gehen. HSV-Manager Dr. Krohn hat bereits die Fühler nach einem Nachfolger ausgestreckt und der könnte Gyula Lorant heißen. Die „Bild“ berichtet am 4. Februar, der aktuelle Eintrachttrainer habe unter falschem Namen einen Flug nach Hamburg gebucht und sich mit Dr. Krohn in dessen Penthouse-Wohnung im Alstertal getroffen. „Mir imponieren Trainer, die durch taktische Raffinessen die Bundesliga beleben“, wird der Manager zitiert, während Lorant sagt: „Als Profi muss man sich ein Angebot des HSV genau ansehen. Dr. Krohn hat allerhand zu bieten — auch viel Geld für Neueinkäufe.“ Die Auseinandersetzungen, die Klötzer mit Krohn führen muss, schrecken den Trainer nicht: „Das würden wir bei einem Glas Cognac regeln. Der Manager rührt die Trommel - und ich mache den Rest.“ Neben Lorant ist wohl aber auch der Coach von Tennis Borussia Berlin, Rudi Gutendorf, ein Kandidat. „Ich habe zwar mit Dr. Krohn noch nicht konkret verhandelt, aber nächste Saison gehe ich zu einem Klub, der Erfolgschancen hat. Und die hat der HSV. Außerdem beeindruckt mich ein Mann wie Krohn ...“, schmiert „Riegel-Rudi“ seinem potenziellen neuen Arbeitgeber Honig um den Mund.

Lorant steht bei den Spielern in Frankfurt derweil hoch im Kurs. „Seit Gyula Lorant hier ist, fühle ich mich wieder fit“, begründet Hölzenbein seinen sportliche Aufschwung der letzten Wochen: „Der Hauptgrund ist sicher, dass ich unter Trainer Roos lange verletzt gewesen war. Zum anderen profitiere ich jetzt von der Aufwärtstendenz der gesamten Mannschaft. Und drittens haut einen unser jetziger Trainer im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht dauernd in die Pfanne, sondern lobt einen auch einmal sogar dann, wenn man es nicht verdient hat. Dies heißt nicht, dass Lorant keine Kritik kennt. Im Gegenteil! Doch sie wird nur intern vorgetragen.“

Bernd Hölzenbein, der sämtliche Länderspiele seit dem WM-Gewinn mitgemacht hatte, dann aber im letzten Jahr Anfang Oktober gegen Wales wegen einer Verletzung und gegen die CSSR Mitte November wegen Formschwäche fehlte, ist jetzt auch für die Nationalelf wieder ein Thema. Aber nicht nur dort: „Um die Jahreswende bekam ich von einem Klub der US-Profiliga ein ganz konkretes Angebot“, berichtet Hölzenbein ebenfalls über einen Abwerbungsversuch, dem er aber noch nicht erlegen ist: „Zum einen müsste ich mich von der Gage und dem Gehalt, die ich von den Amerikanern bekäme, bei der Eintracht freikaufen, was bei der gegenwärtigen Höhe der Ablösesumme unmöglich wäre. Zum anderen habe ich wegen meiner Nationalmannschaftsambitionen und der WM-Chance, die ich mir ausrechne, meine Zusage bis nach der Weltmeisterschaft in Argentinien zurückgestellt, falls dann noch Interesse an mir besteht. Ich will daher gern in Frankfurt bleiben.“ Mittlerweile haben auch bereits zwei Verhandlungsgespräche zwischen dem Eintracht-Präsidium und Hölzenbein stattgefunden.

Kurz darauf scheint das Tischtuch zwischen der Eintracht und Hölzenbein aber zerschnitten, denn Präsident Achaz von Thümen will Hölzenbein nicht wie vom verdienten Spieler gewünscht nach dem Ende der Saison 1979/80 für eine vergleichsweise niedrige Ablösesumme ziehen lassen, damit der seine Karriere in der Schweiz oder den USA ausklingen lassen kann. „Lieber lasse ich mich reamateurisieren als diesen neuen Vertrag zu unterschreiben“, droht der verärgerte Hölzenbein, der nicht verstehen kann, dass ihm die Eintracht nach all den Jahren nicht entgegen kommt: „Von allen deutschen Nationalspielern werde ich am schlechtesten bezahlt. Aber ich habe mich nie beklagt, weil ich wusste, dass Eintracht nicht mehr bezahlen kann. Und nun dies ...“

Weidle, Wenzel, Wienhold und Beverungen demonstrieren ebenfalls Abwanderungsgelüste und treffen sich am Samstag mit einem Spielervermittler. Sollten sie jedoch gehofft haben, dadurch das Eintrachtpräsidium zu größerem Tempo bei den Vertragsverhandlungen anhalten zu können, so haben sich die vier Spieler getäuscht: Vor dem Urlaub der Herren Berger und Jakobi, also vor Mitte März, wird es kein Vertragsgespräch mehr geben.

Und man mag es kaum glauben, doch Fußball wird dann in dieser Woche auch noch gespielt. Wobei die Begegnung zwischen der Eintracht und dem FC Schalke 04 nicht viel Neues verspricht, denn durch die beiden Spiele im DFB-Pokal stehen sich die Mannschaften innerhalb von vier Wochen bereits zum dritten Mal gegenüber. Für die Schalker, die in der wegen noch ausstehender Nachholspiele etwas verzerrten Tabelle den 5. Platz einnehmen, sind die Frankfurter fast schon so etwas wie ein Angstgegner, denn von den letzten sieben Pflichtspielen konnten die „Knappen“ nicht eines für sich entscheiden, während die Eintracht fünf Mal als Sieger den Platz verließ.

Die frühlingshaften Temperaturen im Gelsenkirchener Parkstadion haben bei den 22 Spielern aber die Frühjahrsmüdigkeit ausbrechen lassen, beide Teams spielen mehr quer und zurück als nach vorne. Die Schalker Anhänger, die mit einem Sturmlauf gerechnet haben, um endlich einen Erfolg gegen die Hessen zu erzwingen, sind enttäuscht und schon bald ertönen die ersten Pfiffe von den Zuschauerrängen.

Erst nach 21 Minuten gibt es für die Fans die erste Tormöglichkeit zu sehen - die jedoch ist erstklassig. Oblak bringt eine Flanke hoch in den Strafraum der Frankfurter, wo Neuberger von Abramczik übersprungen wird. Dessen Verlängerung erreicht Mittelstürmer Fischer, der mit seinem Kopfball aus kurzer Entfernung aber an Jupp Koitka scheitert, weil der das Leder mit einem Reflex noch über die Latte lenken kann. Auf der Linie ist Koitka ein Meister seines Fachs.

Doch die Hoffnung auf der Tribüne währt nur kurz, denn sofort geht es im alten Trott weiter. Oblak und Bongartz, die Regisseure der Gelsenkirchener, schaffen es tatsächlich, das Spiel noch langsamer zu machen, als es ohnehin schon ist. Verständlich, dass die Eintracht keine Notwendigkeit sieht, das Tempo zu erhöhen und so schieben sich Grabowski, Nickel, Hölzenbein und Stepanovic den Ball in aller Seelenruhe ungestört zu. Würden sich diese Szenen nicht im Parkstadion vor 25.000 Zuschauern abspielen, könnte man den Eindruck gewinnen, man würde einer lockeren Übungsstunde auf dem Trainingsplatz beiwohnen.

Nach einer halben Stunde geschieht dann etwas gänzlich Unerwartetes: Der Ball liegt im Tor. Es ist der erste scharfe Flankenball in den Strafraum der Schalker, doch es ist kein Frankfurter, der sich Grabowskis Hereingabe annimmt, sondern Helmut Kremers. Verdutzt muss der machtlose Enver Maric im Kasten zusehen, wie Kremers die Kugel ins eigene Netz drückt. Den Seinen gibt es der Herr tatsächlich im Schlaf und der Herr scheint mit der Eintracht zu sein, denn die hat bisher nun wirklich nichts für diese Belohnung getan.

Tore, das „Salz in der Suppe“ eines Fußballspiels, sollen dieses ja angeblich beleben, doch hier ist die Wirkung in etwa so, als würde man einem komatösen Patienten eine Vitaminspritze verabreichen. Das Spiel bleibt leblos und nicht einmal die immer lauter werdenden Pfiffe von den Rängen sind geeignet, die Gastgeber aufzuwecken. Einen besonders schläfrigen Eindruck macht Bongartz, bei dem gerätselt werden darf, ob er über Nacht das Fußballspielen verlernt haben könnte oder nur die Lust verloren hat. Die Adressaten seiner Pässe sind zwar hocherfreut, aber sie tragen aus Schalker Sicht das falsche Trikot. Bis zum Halbzeitpfiff kommen die Gastgeber nicht mehr gefährlich vor das Frankfurter Tor. Dass dies der Eintracht ebenfalls nicht gelingt, ist angesichts des Rückstands nur ein schwacher Trost für die Gelsenkirchener.


Rüssmann erzielt das 1:1

Bei Wiederanpfiff ist zu erkennen, dass die Schalker mit einer veränderten Einstellung zum Erfolg kommen wollen. Was versucht wird, soll wohl eine Art „Powerplay“ sein, das jedoch am Strafraum der Frankfurter ein jähes Ende findet. Das Glück, das die Gäste im ersten Durchgang hatten, scheint aber anders als die Mannschaften nicht die Spielhälfte gewechselt zu haben. Trinklein wehrt eine von Oblak getretene Ecke in der 50. Minute mit dem Kopf so ungenügend ab, so dass Bongartz an den Ball kommt. Dessen hohes Bein gegen Trinklein ahndet der Unparteiische nicht und so kann Bongartz zu Rüssmann spielen, der völlig frei aus wenigen Metern Torentfernung am machtlosen Koitka vorbei einnetzt. Die Proteste der Eintrachtspieler prallen an Schiedsrichter Engel ab, wie ein Gummiball an einer Häuserwand.

Hatte noch das erste Tor keine positive Wirkung auf das Spiel, wird diesmal eine Mannschaft stärker. Kurioserweise ist es aber nicht die Schalker Elf, die mit frischem Mut ans Werk geht, sondern die Eintracht, die aufdreht, während die Truppe von Coach Friedel Rausch noch schwächer wird. Die Frankfurter erspielen sich plötzlich Konterchancen, besonders Bernd Hölzenbein gibt nun seinen Bewacher Helmut Kremers immer wieder das Nachsehen und schleicht sich öfter unbemerkt davon. Pech, dass der Torjäger der Eintracht mit zwei Kopfbällen das Tor verfehlt.


Hölzenbein gegen
Helmut Kremers

Helmut Kremers rächt ein Foul an seinen Zwillingsbruder Erwin und streckt Wolfgang Kraus ohne Rücksicht auf Verluste nieder. Für den kampfstarken Kraus, der die Schalker Härte als Einziger mit gleicher Münze zurückzahlte, ist das Spiel zu Ende, Peter Reichel kommt für den Verletzten neu in die Partie, Weidle rückt dafür ins Mittelfeld. Und Reichel macht deutlich, dass er in die Stammformation zurück will. Sein Gegenspieler Erwin Kremers hat jetzt noch weniger zu lachen als zuvor gegen Weidle, während Reichel sich zusätzlich in der Offensive mit beeindruckenden Flankenläufen Respekt verschafft. Leider verpuffen diese am Ende ergebnislos, denn im Zentrum wird der vierfache Torschütze vom letzten Wochenende, der laufstarke Rüdiger Wenzel, zeitweise von drei Schalkern bewacht und Hölzenbein ist bei aller Spielstärke heute nicht durchschlagskräftig genug.

Die Eintracht ist dem Gegner technisch und taktisch überlegen, immer ist einer der ihren anspielbar. Grabowski, der in der zweiten Hälfte stärker werdende Nickel, Hölzenbein und auch der im Vergleich zu den vorherigen Partien aufgrund manchen Fehlpasses schwächere Stepanovic machen teilweise, was sie wollen und führen die Schalker vor. Doch Lorants Elf muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht die Gunst der schwachen Stunde der Schalker nutzt, um entschlossen auf Sieg zu spielen. Willi Neuberger macht viel Druck nach vorne, vergibt aber andererseits die beste Chance zum 2:1 und bekommt den heute zurück hängend agierenden und in die Mitte drängenden Abramczik nicht richtig in den Griff.

Im Mittelfeld der Gastgeber ist Bittcher noch der Spieler, dem man so etwas wie Dynamik zugestehen möchte. Bongartz und Oblak bringen wenig zustande und es ist ihnen anzulasten, dass die Stürmer in vorderster Linie in der Luft hängen. Das Spiel aus dem Mittelfeld heraus ist zu behäbig, es fehlen die steilen Pässe und auch aus der Distanz wird kaum einmal der Abschluss gesucht. In der 78. Minute greift Schalkes Coach Rausch zu dem vom Publikum geforderten letzten Mittel und wechselt gleich zwei Mal aus: Manfred Dubski kommt für Jürgen Sobieray und Hans-Jürgen Gede für Branko Oblak.

Und obwohl die Abwehr der Eintracht an diesem Nachmittag sicher steht, muss der tadellose Weidle eine Minute später auf der Linie bei einem Kopfball von Fischer retten. Die Elf von Trainer Lorant bringt die letzten Minuten gekonnt über die Zeit, wobei Grabowski und Hölzenbein ihren Mitspielern immer wieder Zeit zum Durchatmen verschaffen, in dem sie den Ball geschickt abschirmen und im Spiel halten. Drei Minuten vor dem Ende setzt sich Fischer dann aber zum ersten und einzigen Mal im direkten Duell mit Körbel durch. Der in den letzten 20 Minuten mitunter nervös wirkende Koitka hat keine Chance einzugreifen, doch der flache Schuss des Torjägers trudelt am langen Eck des Frankfurter Gehäuses vorbei.

„Wir können euch Frankfurter nun nicht mehr sehen“, sagt Abramczik zu Trinklein nach dem Spiel, während Grabowski verständlicherweise sehr zufrieden ist: „Ein Punkt in Schalke zu holen, ist immer ein Erfolg. Bisher hat vor uns nur einzige Mannschaft ein Unentschieden in Schalke geschafft. Es dauert nicht mehr lange, dann stehen wir im gesicherten Mittelfeld.“ Die Unsicherheiten, die von der Abwehr in der 2. Halbzeit ausgingen, sind Trainer Lorant allerdings negativ aufgefallen: „Das müssen wir noch abstellen, dann ist bald wieder uns auch im vorderen Bereich der Bundesliga zu rechnen. Ansonsten bin ich sowohl mit dem Remis als auch mit der Leistung im Mittelfeld und im Sturm zufrieden. Die Burschen haben sehr geschickt gespielt. Es war genau die richtige Spielweise gegen die Schalker, die wir von den vielen Spielen der letzten Wochen besonders gut kannten.“

Bernd Hölzenbein freut sich ebenfalls über das Resultat und meint schmunzelnd: „Gegen Schalke kommen wir offensichtlich immer gut klar.“ „Das Ergebnis geht auch dem Spielverlauf nach in Ordnung“, findet er und macht sich Hoffnungen zum Aufgebot von Helmut Schön für das Länderspiel gegen Frankreich in Paris zu gehören: „Es wäre schön, wenn ich mal wieder in der Nationalelf spielen könnte, nachdem ich gegen Wales und die CSSR nicht dabei war.“

„An ihm kommt keiner vorbei, er steht wie eine Eins“, lobt der heute im Tackling überragende Trinklein seinen Mannschaftskollegen Körbel, der am letzten Wochenende Dieter Müller ausschaltete und gegen Schalke mit Klaus Fischer den nächsten Nationalstürmer Helmut Schöns aus der Partie genommen hat. „Vor dem Tor reagiert er schneller als Dieter Müller, dafür bewegt sich der Dieter insgesamt mehr“, lautet Körbels Vergleich der beiden Stürmer, der drei Minuten vor spielende erfahren hat, wie unberechenbar und gefährlich Klaus Fischer ist: „Da ist mir fast das Herz stehen geblieben“, gibt Körbel zu und meint: „Es war ein klares Foul, er hat mich weggestoßen. Doch was hätte es mir genutzt? Der Schiedsrichter ließ ja weiterspielen und ich stand im wahrsten Sinne des Wortes dumm da.“

„Gegen diesen gefährlichen Mann hat Körbel sehr konzentriert und sehr gut gespielt“, lobt auch Trainer Lorant die Leistung Körbels gegen Fischer. Bundestrainer Schön äußert sich aber noch zurückhaltend: „Wenn dies keine Eintagsfliege war, kann Körbel wieder in den Kreis der Nationalmannschaft kommen.“ „Schön war's ja, aber ich freu' mich erst, wenn ich die Einladung auf dem Tisch habe“, sagt Körbel, für den die Berufung in Schöns Elf ein neuer Anfang wäre, „ein Gefühl, wie vor dem ersten Länderspiel gegen Malta am 22. Dezember 1974.“

Im „Kreis der Nationalmannschaft“ sollte sich Schön einmal umhören, denn dort genießt der Eintrachtspieler bereits höchsten Respekt: „Er ist zurzeit in einer Bombenform“, lautet Dieter Müllers Meinung: „Und vor allem: Karl-Heinz Körbel spielt nicht bewusst unfair, wie manch anderer Vorstopper in der Bundesliga.“ „Derzeit gibt es in der Bundesliga keinen besseren Vorstopper“, findet Klaus Fischer: „Für mich ist es immer besonders unangenehm, gegen ihn zu spielen, weil er kopfballstark ist, einen schnellen Antritt hat und noch dazu ganz genau deckt.“ „Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn in zwei Spielen hintereinander keiner meiner prominenten Gegenspieler ein Tor schießt“, freut sich der so Gelobte, vergisst dabei aber seine Mitspieler nicht: „Wir fühlen uns alle zur Zeit viel sicherer als noch in der Vorrunde. Jeder kann sich wieder auf den anderen verlassen. Dass die eigene Leistung dadurch steigt, ist klar.“

Die Bilanz der Frankfurter Eintracht unter Trainer Lorant ist imposant: 10:2 Punkte und 15:3 Tore aus den letzten sechs Punktspielen, zwei Runden im DFB-Pokal weiter und statt Abstiegsangst herrscht eine Bombenstimmung in der Truppe. „Da kann man nur staunen. Wenn es immer so liefe, würde ich mit Herrn Lorant sogar einen Drei-Jahres-Vertrag machen“, ist Vizepräsident Berger begeistert. „Herr Lorant soll bleiben. Er hat unser Vertrauen. Seine fachlichen und psychologischen Fähigkelten haben uns voll überzeugt“, bricht Kapitän Grabowski eine Lanze für den Trainer und kritisiert die Vereinsführung öffentlich: „Unser Präsidium begreift anscheinend nicht, dass Herr Lorant von Woche zu Woche teurer wird.“ Präsident von Thümen sieht das anders: „Noch hat Trainer Lorant das Ziel Klassenerhalt nicht erreicht.“

Das Kokettieren des Trainers mit dem Hamburger SV, der am nächsten Wochenende der Gegner der Eintracht sein wird, hat aber bewirkt, dass das Präsidium für den kommenden Donnerstag einen Termin zu einem „Grundsatzgespräch“ mit Gyula Lorant anberaumt hat, wie Schatzmeister Jakobi sagt: „Damit Ruhe eintritt und nicht, weil mich der Kaffeeklatsch mit Krohn schockiert hat, setzen wir uns bereits jetzt mit Herrn Lorant zusammen.“ Ursprünglich wollte man „noch das Pokalspiel gegen Uerdingen und weitere Bundesligaspiele abwarten“, gibt Jakobi zu, doch während Lorant beim HSV im Gespräch ist, „haben wir niemanden, den wir Lorant gegenüberstellen könnten. Für Lorant spricht nicht nur die Mannschaft und sein Erfolg. Es ist auch kein besserer auf dem Markt.“ Gerüchte, wonach von Thümen zu Dietrich Weise und Berger zu Erich Ribbeck Kontakt aufgenommen hätten, bezeichnet der Schatzmeister als Vermutungen und Spekulationen: „Eine Rückkehr Weises würden die Fans nicht verstehen. Weise können wir abhaken, und bei Ribbeck müssten wir bis zur Generalversammlung des 1. FC Kaiserslautern warten.“ Ribbeck will bei einer Wiederwahl Willi Müllers zum Präsidenten dem Betzenberg den Rücken kehren.


Jakobi und Lorant

Jakobi nimmt in dem „knallharten Poker“, wie er die Vertragsverhandlungen mit Lorant nennt, eine tragende Rolle ein: Er hat Lorant geholt, als er „den desolaten Haufen im Spiel gegen Borussia Dortmund nicht mehr sehen konnte.“ Aber Finanzfachmann Jakobi, der im Vorstand der Bank für Gemeinwirtschaft sitzt, gleicht auch die konträren Temperamente seiner Präsidiumskollegen aus und hat nach einem Verlust von 400.000 Mark im Geschäftsjahr 1976 vor allem die Ausgabenseite im Blick. „Den von Herrn Lorant geforderten langfristigen Vertrag wird es mit Sicherheit nicht geben“, stellt Jakobi klar, der die bisherigen vorzeitigen Entlassungen Lorants im Hinterkopf hat. „Ein Einjahresvertrag mit Optionen“, sagt Jakobi, „böte sich da als Kompromiss an.“

Zudem will die Eintracht ja weiterhin einen Manager verpflichten, der laut Jakobi „kein Krohn-Klischee“ sein soll. Über das Anforderungsprofil eines Managers scheint man sich bei der Eintracht aber auch noch nicht einig geworden zu sein. Ein ungenannt gebliebener heißer Favorit ist jedenfalls an Widerständen gescheitert, die Achaz von Thümen „sehr betroffen“ gemacht haben. Willi Konrad, der mit Lorant bei den Offenbacher Kickers zusammengearbeitet hat, meint, dass sich die Besetzung dieses Postens ohnehin erübrigt: „Wenn der Gyula bleibt, kann sich die Eintracht den Manager sparen. Der hätte dann nicht mehr zu tun, als ihm die Zigarrenkiste nachzutragen.“

Der Trainer staunt indes nicht schlecht, als ihm seine Spieler eine Fünfliterflasche Cognac zum Training mitbringen. „Wir brauchen größere Flaschen“, hatte Lorant zu Pressesprecher Birkholz angesichts der vorhandenen Minifläschchen gesagt und den Spielern war der Wunsch des Trainers Befehl, wobei es sich die „Bild“ nicht nehmen ließ, den Spruch des Trainers als Etikett auf die Flasche zu bringen.

Auf und vom Gut Neuhof, wo Lorant die Mannschaft am Dienstag statt zum Training wieder einmal zum Frühstück in die Gutsschänke gebeten hat, bekommt der Eintracht-Trainer, der am Sonntag seinen 54. Geburtstag gefeiert hat, einen zweieinhalb schweren Donauwaller (Wels) überreicht, dem Lorant genüsslich den Rauch seiner Zigarre ins Maul bläst, während es Stepanovic im Freien sichtlich frisch findet. Am Donnerstag kommt der Raubfisch bei Küchenchef Rolf Heerklotz in den Topf und Lorant und Gattin auf den Tisch.


Nachtrag

Kuno Klötzer siegt zum Abschied mit dem HSV im Europapokal der Pokalsieger, der von Dr. Krohn zum 1.7.1977 verpflichtete Nachfolger Rudi Gutendorf ist aber mit dem 27.10.1977 schon wieder Geschichte. (rs)

 

 

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