Eintracht Frankfurt - Schalke 04

Bundesliga 1977/1978 - 19. Spieltag

3:0 (1:0)

Termin: Sa 17.12.1977, 15:30 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Walter Engel (Reimsbach)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (32.), 2:0 Rüdiger Wenzel (73.), 3:0 Jürgen Grabowski (78.)

 

 

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Eintracht Frankfurt Schalke 04

 


  • Enver Maric
  • Manfred Ritschel
  • Rolf Rüssmann
  • Klaus Fichtel
  • Mathias Schipper
  • Rüdiger Abramczik
  • Lennart Larsson
  • Klaus Fischer
  • Ulrich Bittcher
  • Hannes Bongartz
  • Manfred Dubski

 

Wechsel Wechsel
  • Herbert Lütkebohmert für Lennart Larsson (64.)
Trainer Trainer

 

Drei Treffer drückten die Überlegenheit nicht aus

Dritte Gala-Vorstellung vor heimischer Kulisse • Jubel um Grabowski und Neuberger

Das Ergebnis täuscht, und zwar in zweierlei Hinsicht. Im Vergleich zu den Chancen, die sich den Frankfurtern boten, fiel ihr Sieg viel zu niedrig aus; andererseits spiegelt das nackte Resultat nichts von der langen Pein wieder, die ein rechtschaffenes Eintrachtherz erdulden mußte, bevor der Sieg endlich feststand. Dieser Zeitpunkt läßt sich genau fixieren. Es war in der 73. Minute. Willi Neuberger krönte seine formidable Leistung als Verlegenheitslibero mit einem Solo in der Rechtsaußenposition, zog die Lederkugel im Stan-Matthews-Stil von der Torauslinie scharf zurück und verschaffte dem ungedeckten Wenzel so die Gelegenheit zum sofortigen Zuschlagen. Wenzel hatte Glück. In sanftem Bogen steuerte der Ball an der ausgestreckten Hand des Torhüters vorbei ins Netz. In der Kurve, wo die Sprechchöre stehen, leuchteten — trotz Verbot — die Wunderkerzen auf. Es stand 2:0. Die Angst war ausgestanden.

Es war eine Angst, der sich kein Stammkunde des mainischen Bundesligisten erwehren konnte. Von der ersten Sekunde an nahm die Partie eine verzweifelte Ähnlichkeit mit der Bravourpartie gegen den Hamburger SV vor fünf Monaten an, die von der Eintracht trotz drückender Überlegenheit schließlich mit 0:2 verloren wurde.

Genau wie damals fiel die Eintracht über ihren Gegner her wie ein Rudel ausgehungerter Wildkatzen über ihre Beute. Schon nach einer Minute waren drei kapitale Torchancen vertan. Es war kein Strohfeuer, das da abbrannte. Die Schalker blieben unter Druck bis zur Pause. Aber je mehr sich dieser Druck verschärfte, desto reflexsicherer wurde ihr Torhüter, desto unheimlicher gespensterte Fichtel durch die Gänge, desto zappeliger wurden die Stürmer, die sich mit den großen Möglichkeiten konfrontiert sahen. Die Angst vor dem Pech — nicht vor dem Gegner —, die auch dann nicht aufhörte, als Hölzenbein durch einen durchtriebenen Freistoß aus 18 Metern die 1:0-Führung gelungen war, hielt an bis siebzehn Minuten vor Schluß, bis zu Neubergers virtuoser Rechtsaußeneinlage, auf die Wenzel geistesgegenwärtig den „i"-Punkt setzte.

Dieses 2:0 kam in einem Moment, als niemand mehr damit rechnete. Den Schalkern war nicht verborgen geblieben, daß ihr Gegner sich immer mehr der Grenze näherte, wo Spielintelligenz in sterile Artistik umschlägt. Moralisch aufgerüstet gingen sie in die zweite Halbzeit. Aus dem Häufchen Unglück wurde nach dem Wechsel im Nu eine geballte Ladung. Bongartz tauchte aus der Versenkung auf. Lütkebohmert, der den schwedischen Debütanten Larsson abgelöst hatte, flankierte den Aufschwung des vereinsamten Mittelfeldstars mit routinierten Initiativen. Erstmals kam Fischer zur Geltung, der prompt auch die solideste Gelegenheit zum Ausgleich verpaßte. Jetzt mußte sogar Koitka im Tor der Frankfurter bisweilen ran, der in der ersten Halbzeit verdrossen vor sich hin fröstelte. Der Ausgleich schien perfekt, als Abramczik freie Fahrt zum Ziel gewonnen hatte; aber Stepanovic holte ihn ein, bevor der Schalker Schaden anrichtete.

Selbst in dieser Phase stachen die Schalker Trümpfe jedoch nur in Abständen. Ohne die beiden Kremers, ohne Sobieray, vor allem aber ohne den inneren Schwung, den man braucht, um einen verfahrenen Karren nicht nur flott zu machen, sondern auf die optimale Reisegeschwindigkeit zu bringen, erschöpfte sich die Gegenwehr in ruckartigen Kraftakten, von denen sich die Frankfurter immer wieder erholen konnten.

Friedel Rausch, der Trainer des FC Schalke 04, überhäufte diese Frankfurter anschließend mit Komplimenten. Er sprach sogar von dem Anspruch, den diese Mannschaft auf den Meistertitel habe. Das Lob aus dem Munde des Besiegten wirkte fast schon peinlich. Immerhin ist nicht wegzuleugnen, daß die Elf zusammen mit den beiden 4:0-Erfolgen gegen den FC Bayern nun schon die dritte Galavorstellung auf eigenem Platz hintereinander gab. Daß zwischendurch Lorant ging und Cramer kam und der Verein um seinen guten Ruf fürchten mußte, änderte nicht das geringste an der „beständigen Ausnahmeform", in die sich die meisten Spieler hineingesteigert haben.

Nach dem Schlußpfiff wurden Grabowski und Neuberger von den Fans quasi im Geiste vom Platz getragen. Es war in der Tat ein makelloser Genuß, zu sehen, wie Neuberger in der Liberorolle schwelgte, und es war nicht minder bewundernswert, wie Grabowski nach und nach seinen stacheligen Schatten Dubski abstreifte, sich die notwendige Plattform für seine Regiearbeiten schuf und schließlich — von Hölzenbein bedient — aus spitzem Winkel einen Schmetterball zum 3:0 unter die Latte setzte. Körbel, Nickel, Helmut Müller, Kraus und Weidle erreichten ebenfalls persönliche Jahresbestleistung; Hölzenbein und Wenzel büßten unter der Knute einer Abwehr, die sich voll auf die beiden Torjäger konzentriert hatte, zwar einen Teil ihrer normalen Kaltschnäuzigkeit ein, ließen sich jedoch durch nichts entmutigen.

Alle zusammen lieferten ein Laufpensum, das der Frankfurter Eintracht noch vor wenigen Wochen unmöglich schien. Das Eintracht-Publikum wird noch lange von den Wochen schwärmen, als die Spieler laufen lernten. (Frankfurter Rundschau vom 19.12.1977)

 

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