Eintracht Frankfurt - VfL Bochum

Bundesliga 1987/1988 - 2. Spieltag

0:1 (0:0)

Termin: Fr 07.08.1987, 20:00 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Anton Matheis (Rodalben)
Tore: 0:1 Uwe Leifeld (54.)

 

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Eintracht Frankfurt VfL Bochum

 


  • Ralf Zumdick
  • Lothar Woelk
  • Thomas Kempe
  • Rob Reekers
  • Martin Kree
  • Michael Lameck
  • Detlef Mikolajczak
  • Frank Heinemann
  • Frank Benatelli
  • Uwe Leifeld
  • Josef Nehl

 

Wechsel Wechsel
  • Thomas Epp für Josef Nehl (74.)
  • Peter Knäbel für Detlef Mikolajczak (77.)
Trainer Trainer
  • Hermann Gerland

Hans im Unglück

Unter Flutlicht findet am Freitagabend, den 7. August, das erste Heimspiel der Eintracht in der Bundesligasaison 87/88 statt. Gegner ist der VfL Bochum, der mit einer 1:2-Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach einen Fehlstart in die neue Spielzeit hingelegt hat. "Unser Punktgewinn zum Auftakt in Kaiserslautern ist nur etwas wert, wenn wir Bochum schlagen, egal wie", gibt Eintrachts Trainer Feldkamp die Marschrichtung vor.

Optimistisch gibt sich Karl-Heinz Körbel, der heuer seine 16. Bundesligasaison bestreitet, wenn es um die nahe Zukunft der Eintracht geht. Trainer Feldkamp, gibt der Kapitän der runderneuerten Riederwälder zu Protokoll, erinnere ihn an Gyula Lorant und Lajos Detari an Jürgen Grabowski. Das anstehende Spiel sieht Körbel als willkommenen Test: "Gegen solche Mannschaften haben wir uns zuletzt immer schwer getan. Jetzt können wir zeigen, ob wir durch Detari und Smolarek wieder die Schlitzohrigkeit der Ära Grabowski, Hölzenbein und Nickel haben, um eine derart massive Abwehr spielerisch auseinanderzunehmen."

Eine besondere Partie ist das Aufeinandertreffen mit dem VfL Bochum für Frank Schulz. "Auf dieses Spiel bin ich richtig heiß", kündigt der 26-jährige Mittelfeldspieler an, der zu Anfang der Saison nach vier Jahren VfL mit 116 Bundesligaspielen und 30 Toren an den Main gewechselt ist. "Die Bochumer Spieler sind Top-Jungs, zu ihnen habe ich ein gutes Verhältnis und wünsche ihnen viel Erfolg - außer am Freitagabend. Aber mit dem Trainer habe ich nichts am Hut", erklärt Schulz. Ein Jahr lang habe Gerland mit ihm nicht geredet, der letzte vernünftige Wortwechsel habe vor der vergangenen Saison stattgefunden, als ihm der Trainer seine Position zugewiesen habe. Vor der Heimpremiere fordert Schulz: "Wir müssen gewinnen, sonst war der Punkt in Kaiserslautern überhaupt nichts wert." Zusätzliche Motivation für das Spiel dürfte Schulz durch Berufung durch DFB-Trainer Hennes Löhr zum Testspiel der Olympiaauswahl am Montag in Aschaffenburg gegen die CSSR erhalten (die DFB-Auswahl wird dieses Spiel mit 0:1 verlieren). Mit dem nachträglich nominierten Ralf Sievers steht ein weiterer Spieler der Eintracht im Aufgebot für diese Partie.

Dass der Vertrag von Schulz in Bochum nicht wie vom Spieler gewünscht verlängert wurde, liegt wahrscheinlich daran, dass er sich mit dem Falschen angelegt hat. Denn Hermann Gerland ist quasi der personifizierte VfL. In Bochum geboren spielte er seine gesamte aktive Profikarriere von 1972 bis 1984 beim VfL, 204 Bundesligaspiele stehen dabei letztlich zu Buche. Und auch als Trainer bleibt Gerland seinem Stammverein treu: Seine erste und bislang einzige Station als Übungsleiter im Ruhrstadion nimmt er seit 1986 wahr.

Doch nicht nur Gerland ist ein echtes Bochumer Urgestein. Denn als Gerland am 1. Spieltag der Saison 72/73 gegen Eintracht Braunschweig am 16. September in der 72. Minute eingewechselt wird und so zu seinem ersten Bundesligaspiel kommt, steht einer im Bochumer Trikot auf dem Platz, der an diesem Tag ebenfalls seine Bundesligapremiere feiert: der von Schwarz-Weiß Essen zum VfL gewechselte Michael 'Ata' Lameck. Lameck, der nach der aktuellen Spielzeit 87/88 seine aktive Karriere beenden wird, absolviert bereits in seiner ersten Saison beim VfL 72/73 alle 34 Ligaspiele, einschließlich seines Einsatzes heute wird er in 504 von für ihn 512 möglichen Bundesligapartien für die Bochumer eingesetzt. Überhaupt ist Vereinstreue - ob aus der Liebe zum VfL oder durch den Mangel an Alternativen begründet, sei dahingestellt - in Bochum nichts Ungewöhnliches. So sind aus dem aktuellen Kader zum Beispiel Lothar Woelk, Walter Oswald oder auch Franz-Josef 'Jupp' Tenhagen bereits in den 1970er Jahren für den VfL aufgelaufen.

Während Woelk heute als Libero zum Einsatz kommt und damit die Rolle von Kempe übernimmt, der im offensiven Mittelfeld aufgestellt wird, und der 34-jährige Tenhagen bei der Suche nach der Startelf keine Rolle spielt, muss Gerland auf Manndecker Walter Oswald aufgrund einer Bänderdehnung im Knie verzichten. Auch der 37-jährige Oldie Klaus Fischer, freilich schon in der letzten Saison mit drei Toren in elf Bundesligaspielen für den VfL keine Stammkraft mehr, fällt wegen einer Achillessehnenreizung aus. Ansonsten hat der Bochumer Coach alle Mann an Bord.

Die Qual der Wahl hat sein Gegenpart am heutigen Spieltag, der Frankfurter Trainer Karl-Heinz Feldkamp. So bleibt es nicht aus, dass einige Spieler aus dem großen Kader enttäuscht sind, da sie nicht zum Aufgebot für das erste Heimspiel zählen. Dass es Dietmar Roth, Dieter Kitzmann, Ralf Haub und Jaroslaw Biernat trifft, war abzusehen. Überraschend aber, dass auch Andreas Möller und Ralf Sievers mit einem Tribünenplatz vorlieb nehmen müssen. Jan-Andrè, seines Zeichens das in dieser Woche neugeborene dritte Kind im Haushalt Sievers, ist für Feldkamp der Grund, Letztgenanntem eine Pause zu gönnen: "Bei Ralf hat es in dieser Woche zu Hause mit dem Kind viel Wirbel gegeben."

Möller, der bereits beim Saisonauftakt in Kaiserslautern weder auf dem Platz noch auf der Bank dabei war, ist sowohl überrascht als auch enttäuscht: "Ich habe die Woche gut trainiert. Ich glaube, dass ich in den Kader gehöre. Jetzt bin ich völlig frustriert, aber der Trainer wird sich dabei schon etwas gedacht haben. Feldkamp hat einmal gesagt, dass er zwei Torleute brauche, wenn Detari und ich zusammen im Mittelfeld spielen. Das heißt, dass immer nur einer von uns dabei sein wird. Und das wird Detari sein. Er hat praktisch einen Vier-Jahres-Vertrag, da muss ich mir jetzt meine Gedanken machen."

Auf der Bank nehmen schließlich Müller, Friz, Münn, Ersatztorhüter Ernst sowie etwas überraschend Armin Kraaz Platz. Für den zum Außenverteidiger umfunktionierten Kraaz setzt Feldkamp in der ansonsten gegenüber dem Spiel in Kaiserslautern unveränderten ersten Elf Turowski als dritten Stürmer neben Smolarek und Balzis ein.

Immerhin 20.000 Zuschauer, und damit doppelt so viele wie beim Ligaspiel im Waldstadion gegen den VfL in der letzten Saison, sind vor Ort. Überhaupt ist der VfL kein Kassenmagnet in Frankfurt, lediglich einmal in den bislang absolvierten 16 Bundesligaheimspielen der Eintracht gegen diesen Gegner konnte die heutige Zuschauerzahl übertroffen werden, nämlich am 02.04.1977, als es für die von Gyula Lorant trainierte Eintracht vor 21.000 Zuschauern nur zu einem 2:2 reichte.

Hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott - diese bei den Trainern beliebte und den Zuschauern verpönte Auswärtstaktik schlägt der VfL Bochum in der ersten Hälfte ein. Und die Eintracht kommt gegen das massive Abwehrbollwerk der Gäste nicht recht zum Zuge. Vor allem die aus Missverständnissen resultierende fehlende Passsicherheit im Mittelfeld sorgt für schnelle Ballverluste, Detari ist zwar der Spieler mit dem meisten Ballkontakten, verliert das Leder aber zu häufig. Chancen ergeben sich vor allem durch Weitschussversuche, bei denen sich auffällig oft Heitkamp engagiert, aber auch mit mangelnder Zielgenauigkeit ausgestattet erweist. Die drei Angreifer Smolarek, der gegen Heinemann spielt, Turowski gegen seinen Widersacher Kree und Balzis, der es vorrangig mit Reekers zu tun hat, bleiben mangels exakter Anspiele aus dem Mittelfeld wirkungslos. Turowski und Smolarek spielen sich mit ihren Dribblings oftmals Knoten in die eigenen Beine, Balzis warten in der Mitte vergebens auf hohe Flanken, um seine Kopfballstärke auszuspielen.


Zumdick kann vor Balzis klären

Insgesamt ergeben sich so für die Eintracht in den ersten 45 Minuten lediglich zwei ordentliche Chancen. Zunächst ist es in der 26. Minute Lajos Detari, der die erste Ecke gefährlich vor das Bochumer Tor schlägt. Smolarek legt den Ball mit dem Kopf zurück auf Turowski, doch der findet bei seinem artistischen Schuss aus zehn Metern in VfL-Keeper Zumdick seinen Meister und muss zusehen, wie dieser den Ball nach einer Parade noch um den Torpfosten lenkt. Nur zwei Minuten später ist es erneut Detari, der Gefahr für das VfL-Tor heraufbeschwört. Zunächst spielt der Ungar zwei Bochumer 'auf dem Bierdeckel' aus, dann gibt er aus etwa 20 Metern einen gefährlichen Schuss ab, der Zumdick auf eine Probe stellt, die er erneut besteht, indem er den Ball aus dem linken Torwinkel fischt.

Mit 0:0 geht es letztlich in die Kabinen. Erste Pfiffe der Zuschauer begleiten die beiden Mannschaften auf dem Weg, die nach der Pause unverändert zur zweiten Hälfte antreten. Wie schon in der ersten Halbzeit zeigt es sich, dass die Eintracht mit der dicht gestaffelten Deckung der Gäste um Libero Woelk nicht zurechtkommt. Platz haben jedoch die Bochumer, wie etwa Uwe Leifeld, der in der 54. Minute nach einem Steilpass von Kempe über das halbe Spielfeld eilt und aus spitzem Winkel abzieht. Zwar ist Hans Gundelach zur Stelle, doch der Frankfurter Torhüter rechnet fälschlicherweise mit einer Flanke, kommt zu weit aus dem Tor und versucht, nachdem er seinen Fehler erkennt, mit einer Faustabwehr zu klären. Zum Entsetzen der meisten Zuschauer misslingt der Frankfurter Nummer eins im Kasten dies aber, und er boxt den Ball ins eigene Netz. 1:0 führen die Gäste und sehen sich für ihr konzentriertes Spiel belohnt.


Detari scheitert an Mikolajczak und Kree

Nach diesem Rückstand reagiert die Eintracht - allerdings wenig effizient, sondern nervös, zerfahren und hektisch und damit ähnlich planlos wie zuvor. Trainer Feldkamp setzt nun alles auf eine Karte, nimmt Schlindwein und Heitkamp, bis zu diesem Zeitpunkt noch einer der besseren Frankfurter, vom Feld und bringt Holger Friz und Uwe Müller. Doch auch mit vier Stürmern gelingt es nicht, gefährliche Situationen hinaufzubeschwören, die den Ausgleichstreffer möglich machen könnten. Im Gegenteil: Die Bochumer nutzen aus ihrer massiven Abwehr heraus geschickt die freien Räume im Mittelfeld zu Kontern und sind dem 2:0 näher als die Eintracht ihrem ersten Treffer. So vergibt Benatelli in der 68. Minute, als er den Ball aus acht Metern über das Tor drischt. Fünf Minuten später haben der eingewechselte Epp und Torschützen Leifeld nur noch Klepper vor sich, der vergebens versucht, einzugreifen. Als Konsequenz erscheint Leifeld frei vor Gundelach, scheitert dieses Mal aber am Frankfurter Keeper.

Auf Frankfurter Seite sind die Chancen weniger klar. Ein Schussversuch Detaris wird von Reekers abgeblockt. Die größte Ausgleichschance vergibt Balzis in der 85. Minute, dessen Schussversuch von Heinemann in der Art geklärt wird, dass er den Ball über das eigene Tor drischt. So überstehen die Bochumer auch die letzten Minuten schadlos und können verdientermaßen zwei Punkte aus dem Waldstadion entführen. Für die Eintrachtler bleibt nur ein Pfeifkonzert von den Rängen.

Besonders zerknirscht ist Torwart Gundelach: "Das war alleine mein Fehler. Die Niederlage geht auf meine Kappe. Wenn du so ein Ding fängst, bist du immer der Arsch." Manager Kraus spricht sich freilich ebenso wie Trainer Feldkamp dagegen aus, für die Eintracht eventuell einen neuen Torhüter zu verpflichten. Auf dem Boulevard war der Name Uli Stein hochgekocht, der nach seinem Faustschlag gegen Bayern-Stürmer Jürgen Wegmann im DFB-Supercup zu Beginn der Saison vom HSV entlassen wurde und noch ohne neuen Verein ist.

Das nächste Punktspiel führt die Eintracht bereits am Freitagabend nach Uerdingen, also zu dem Verein, für den Karl-Heinz Feldkamp vor seinem Wechsel an den Main drei Spielzeiten lang als Trainer tätig war.


Stimmen zum Spiel

Hermann Gerland: "In Frankfurt haben wir bisher immer gut ausgesehen, hatten die Eintracht in Kaiserslautern beobachtet und waren auf sie richtig eingestellt. Meine Jungs haben ausgezeichnet gespielt. Wir waren der Eintracht in allen Belangen überlegen. Wir hatten nur ein einziges Manko: Wir haben die klarsten Torchancen vergeben. Wir hätten leicht 3:0 oder 4:0 gewinnen können."

Karl-Heinz Feldkamp: "Gratulation an die Bochumer. Natürlich sind wir wahnsinnig enttäuscht. Aber ab der 54. Minute war das Ergebnis schon schmeichelhaft. Der Treffer war auf der Linie zu vermeiden. Das habe ich auch unserem Torwart gesagt. Detari war unheimlich fleißig. Von der Bewegung her war es überzeugend, was er über 90 Minuten geliefert hat. Aber auch seine Umgebung muss in Bewegung sein. Wenn er am Ball ist, müssen andere versuchen, den Ball zu bekommen."

Armin Kraaz: "Es dauert halt, bis sich eine Mannschaft mit so vielen Neuen eingespielt hat. Aber dieses Jahr haben wir mehr Substanz. Viele werden es wahrscheinlich nicht mehr hören können, aber man muss noch etwas Geduld haben."

Dirk Heitkamp: "Wir sind blind angerannt. Statt über die Flügel lief praktisch alles durch die Mitte und dann konterten uns die Bochumer aus. Die Zuschauer sind mit Recht verärgert."

Dr. Klaus Gramlich: "Letzte Saison starteten wir mit einem 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf und kämpften zum Schluss gegen den Abstieg. Diesmal machen wir es eben umgekehrt."


Nebengeräusche

Ex-Eintrachtspieler Norbert Nachtweih muss Altlasten aus Eintrachtzeiten aufarbeiten: Der seit 1982 bei den Münchner Bayern beschäftigte Mittelfeldspieler, der dort kolportierte 350.000 Mark Jahresverdienst verzeichnen kann, hat vor dem Münchner Amtsgericht ein Vergleichsverfahren beantragt, um Forderungen eines Gläubigers abzuwenden. Ursache der finanziellen Malaise sind die Bauherrenmodelle, die durch den damaligen Eintracht-Vizepräsidenten Wolfgang Zenker vermittelt wurden. Zenker, Vertriebsdirektor der Vermögensberatung "Südfinanz", hatte etwa 80 Spielern, darunter dem Kern des Eintrachtteams wie Nachtweih, Cha und Pahl, überteuerte Immobilien verkauft, und die "üblichen Provisionen" kassiert. Doch die versprochenen Steuerersparnisse wogen die zu leistenden Hypothekenzahlungen nicht auf. Zum Skandal war es bereits 1983 gekommen als Cha Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse in Höhe von mehr als 200.000 Mark erhielt. Der damalige Eintrachtpräsident Schander und sein Vize Zenker traten in der Folge von ihren Ämtern zurück.

Am Sonntag verliert eine Weltauswahl, unter anderem mit Maradona und Platini, das Spiel zum 100-jährigen Jubiläum der englischen Fußballliga im Londoner Wembleystadion mit 0:3. Mit dabei sind der ehemalige Eintrachtspieler Thomas Berthold, der zu Beginn der Saison zu Hellas Verona gewechselt war, und Lajos Detari, der in der 63. Minute für den Brasilianer Josimar eingewechselt wird. (fgo)

 

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